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hochschule für Gestaltung
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die hochschule für gestaltung ist eingegangen. die ulmer schule ist tot. verwaltung und werkstätte sind nicht mehr - geblieben ist nur die akropolis der früheren institution und die nostalgie.
die wirklichkeit widerspricht eindeutig dieser legende. die geistige energie und praxis von damaligen mitgliedern der hochschule beeinflussen heute die industrie, die umweltgestaltung, die werbung, die kunst und die erziehung, sowohl in deutschland wie im ausland. daß ein kulturerbe der ulmer hochschule vorhanden ist und wirkt, bedarf noch bewußter gemacht zu werden. dafür ist die wanderausstellung eines früheren studenten der abteilung visuelle kommunikation zu verwerten, dessen plakatwerk durch seine ausbildung in ulm ermöglicht wurde. mavignier 1981 hfg - vor 50 Jahren
2003 ist das jubiläumsjahr der ersten grundlehre der ulmer hochschule für gestaltung, damals noch in einem raum des heutigen museums für mich als teilnehmer ist das gründungsjubiläum der hfg eine anregung, die spuren meiner hfg-arbeiten zu erforschen, sie zu bewahren und zu veröffentlichen. gelegenheit dafür bietet ein katalog der katalog - zu einer plakatausstellung im museum für konkrete kunst in ingolstadt - dessen konzept die fokussierung auf meine arbeiten in der grundlehre und der abteilung visuelle kommunikation ist, zwischen 1953 und 1958 typografische anzeigen, schaufenstergestaltung, fotografien, foto-dokumentationen, plakatentwürfe, gedruckte plakate bis zum diplom-abschluss sind im katalog enthalten und nicht zuletzt malerei. ich habe gemalt: vor, während und nach meinem studium an der hfg die grundlehre war quelle von ideen und konstruktionsprinzipien in relation zu fläche, linie, form und farbe eine aufgabe von nonné-schmidt zur liniendarstellung, nach einer idee von paul klee, hatte einfluss auf meine malerei. die mathematische definition der linien, als reihe von punkten war auslöser für mein erstes bild mit punkten (s. 17) die professoren: otl aicher, josef albers, max bill, hans bellmann, max bense, hans curjel, johannes itten, helene nonné-schmidt, walter peterhans, adolf portmann und walter zeischegg max bill immer präsent marcel breuer einmal zu besuch otl aicher unter den studienkollegen am vormittag, nachmittags als dozent für typografie, schaufenster-, plakat- und ausstellungsgestaltung max benses seminar, wöchentlich die unkenntnis der sprache hat zeit beansprucht, dessen lehre zu verstehen die studienverlängerung bis 1958 war zeitausgleich zum sprachbedarf mavignier, 2003 |
arbeiten aus der grundlehrejosef albers‘ lehre „interaction of colours“ war ausgangspunkt für ideen, deren ausführung sich erforschen und bestimmen ließ.
visuelle wirkungen wurden dabei rationellen entscheidungen vorgezogen. "nicht ratio. wahrnehmung."
mavignier, 2003 |
interview mit almir mavignier 2002tobias hoffmann und frank schmidt
hamburg, dezember 2002 interview mit almir mavignier 2002
herr mavignier, sie kamen 1951 von brasilien nach europa um in paris zu studieren. was waren ihre gründe, im jahr 1953 nach deutschland und speziell nach ulm zu gehen? ich kam nach deutschland um mit max bill zusammen zu arbeiten. den sie in brasilien getroffen hatten? nein, ich habe 1950 die ausstellung über max bill in são paolo gesehen. das war eine große retrospektive, die mich sehr beeindruckt hat. als ich in paris war, bin ich nach zürich aufgebrochen, um den brasilianischen kunstkritiker mario pedrosa zu treffen. wir wurden von max bill zu einem atelierbesuch eingeladen. dort traf ich erstmals max bill. wer waren ihre lehrer an der hfg? meine ersten lehrer in der grundlehre an der hfg waren helene nonné-schmidt und josef albers. leider habe ich aus finanziellen gründen den ersten kurs bei peterhans verpasst. ich habe ihn zwar noch erlebt an der hfg, aber nicht mehr an seinem unterricht teilgenommen. die studenten waren sehr begeistert von ihm. nachmittags habe ich dann praktische aufgaben von otl aicher bekommen. otl aicher zählte auch zu meinen lehrern – aber nur nachmittags. vormittags war er mein kommilitone in der grundlehre bei albers, an der er auch teilnahm und oft neben mir saß. nachmittags hat er mir dann praktische aufgaben gestellt, wie zum beispiel die dekoration eines schaufensters für die ausstellung „gutes spielzeug“ 1954. vordemberge-gildewart war in diesem ersten jahr noch nicht da. im unterricht war auch max bill ein gern gesehener gast. die klassifizierung, was ein lehrer und was unterricht ist, war nicht so streng. es konnte passieren, dass hans gugelot kam und unvorhergesehen über design sprach. in dieser allerersten phase der hfg – damals noch am marktplatz, der kuhberg war noch nicht fertig – gab es noch kein strenges unterrichtsschema. man lernte sehr viel in der diskussion, auch mit anderen kommilitonen. als offizielle lehrer für die grundlehre hatten wir damals nonné-schmidt, albers und peterhans. was waren die ziele der grundlehre, was sollte vermittelt werden? die ziele der grundlehre kann man in jedem programm nachlesen. aber es gab ein inoffizielles ziel der grundlehre. arbeiten zu lernen, konsequent denken zu lernen, realisieren zu lernen, visualisieren zu lernen. arbeiten zu lernen hieß zum beispiel bei nonné-schmidt, dass auch auf meinem tisch alles nur auf die gegenstände, die man unbedingt braucht, reduziert werden sollte. organisation und planung ist von großer wichtigkeit, und das beginnt bereits beim arbeitstisch. gelernt haben wir zum beispiel auch, wie man sitzen sollte, als voraussetzung, um genau und präzise arbeiten zu lernen. wie wir hier jetzt sitzen, ist es unmöglich, eine zeichnung zu machen. auch eine körpergerechte haltung ist die voraussetzung für gutes arbeiten. nonné-schmidt war eine sehr starke persönlichkeit, die uns viel vom bauhaus zu vermitteln suchte. sie berichtete uns, wie es am bauhaus wirklich gewesen ist. sie hat uns im grunde genommen das bauhaus geliefert. albers hat kaum über das bauhaus gesprochen, er war das bauhaus. albers war in der grundlehre schon wie ein mythos für uns. er war sehr gründlich und gelassen und sehr angenehm im unterricht. seine maxime war: ich bin da, um eure augen zu öffnen. die augen zu öffnen bedeutete, eine empfindung für farbwerte zu wecken, die relation der farbwerte und die relativität der farbe im farbvergleich sichtbar zu machen. nehmen wir zum beispiel rot – es gibt kein bestimmtes rot. es gibt einmal das rot, das man denkt, das man sich vorstellt. was der eine sich unter rot vorstellt, ist für den anderen gar nicht rot. wenn man dagegen ein rot vor einen blauen hintergrund stellt, oder das gleiche rot vor einen gelben hintergrund, ist es schon ein anderes rot. farbe hat nur einen relativen wert. albers hat dazu auch immer menschliche vergleiche gebracht, hat sich gelöst von kalten wissenschaftlichen oder technischen beispielen. wenn sie zum beispiel nach italien umziehen, sind sie nicht mehr der gleiche mensch, als wenn sie in deutschland sind. wieder anders ist es, wenn sie in frankreich leben. und so verhält es sich auch mit den farben. die farben haben einen relativen wert, der sich nach dem hintergrund richtet. gab es auch bei nonné-schmidt ein grundthema, wie es bei albers die relativität der farbe war? auch bei nonné-schmidt war das grundthema die farbe. ihr mann hatte eine farblehre hinterlassen, die sie in ulm weiterbearbeitet hat – später auch mit hilfe des ulmer studenten eckhard neumann. ob diese farbtheorie je vollendet wurde, oder veröffentlicht wurde, weiß ich nicht. grundsätzlich ging es ihr aber auch immer um die vermittlung der inhalte des bauhauses, ohne das nun explizit zu sagen. eine der aufgaben in der grundlehre bei nonné-schmidt bezog sich zum beispiel, wie sie es nannte, auf eine abstrakte idee von paul klee. wenn eine linie eine andere linie trifft, so treffen sie sich in einem punkt. und dieser punkt ist ein energiepunkt, der die ganze energie der kraft enthält, die beide linien aufeinandertreffen läßt. und dies sollten wir darstellen. dies ist eine wunderschöne idee: der punkt als kraftzentrum. im unterricht schuf ich dann eine reihe von darstellungen für diese aufgabe. später habe ich dann in meinem zimmer in ulm das erste bild mit punkten gemalt. denn was ist eine linie anderes, als eine reihe von punkten? die ganze grundlehre war eine quelle für mich als maler. was ich dort lernte, habe ich noch über den unterricht hinaus weiterinterpretiert, und daraus ist eine ganze reihe von bildern entstanden. die grundlehre schuf einen völlig neuen hintergrund für meine malerei. war es auch möglich, ihre bilder, die mehr oder weniger heimlich an der hfg entstanden, mit den lehrern zu diskutieren? nicht mit den kommilitonen. aber mit einigen lehrern. bill hat fast ständig meine bilder gesehen. auch albers hat dieses erste bild mit punkten gesehen, riet mir aber ab, so weiter zu machen. er sagte: „das hat keine zukunft in der malerei. am besten ist es, aufzuhören, nicht weitermachen.“ ich habe aber weitergemacht und ein jahr später kam er nach münchen und ich hatte ein paar bilder im auto, darunter auch weitere bilder mit punkten. er war dann ganz begeistert: „das hat pfeffer“. ich habe daraus viel gelernt, auch für meinen unterricht später in hamburg. zu den studenten sagte ich immer: ich meine es ist so, aber vorsicht, es kann sein, dass ich einen fehler mache. ich habe sehr viel von meinen lehrern gelernt, insbesondere, nicht zu machen, was sie gesagt haben. oft liegt die gefahr von sehr guten lehren darin, dass man von ihnen abhängig bleibt. bei max bill hatten sie keinen unterricht in der grundlehre? nein. aber ab und zu erschien er im unterricht der anderen lehrer, da er wissen wollte, was in der grundlehre unterrichtet wurde. ich erinnere mich, dass er einmal in den unterricht von albers kam und sich aus dieser spontanen begegnung eine große diskussion um die bidimensionalität entwickelte. wir arbeiteten gerade an einer aufgabenstellung von albers, in kurzer zeit quadrate oder kreise auf dem blatt anzuordnen. danach ging albers die ergebnisse durch und sagte, dies ist richtig, dies ist falsch, ohne auf die namen zu achten und ohne, dass wir zunächst verstanden, warum er die eine lösung für gut befand und die andere nicht. erst allmählich verstanden wir, dass er das quadrat als zweidimensionale fläche auffasste, und es daher keine überlappungen oder überschneidungen geben durfte. im grunde sind in der konsequenten konkreten darstellung im bild die farben ununterbrochen und kontinuierlich, auch wenn farbflächen übereinander liegen. das war auch die zeit, in der albers an den huldigungen an das quadrat gearbeitet hat, wo es ja eigentlich nur ein vollkommenes quadrat gibt, jenes in der mitte, das von anderen quadraten hinterschnitten wird, weshalb es wohl auch „huldigung an das quadrat“ heißt. über dieses unterschiedliche verständnis des quadrats gab es eine heftige diskussion zwischen albers und bill, in der albers einen hochroten kopf bekam und die wir voller durst in uns aufgesogen haben. gab es grundlegende meinungsverschiedenheiten zwischen den lehrern der grundlehre was gestalterische punkte anbelangte? da bin ich überfragt, da ich als student diese vorgänge natürlich nur aus der frosch-perspektive gesehen habe. da wäre maldonado der bessere ansprechpartner, der ein jahr später gekommen ist. es stimmt übrigens nicht, was man immer liest, dass bill maldonado als dozent geholt hätte. bill hat mir selbst erzählt, dass maldonado ihm geschrieben hätte, weil er ein buch über bill schreiben wollte. eigentlich kam er zunächst nur aus diesem grund nach ulm. kann man sagen, dass die malerei an der hfg keine rolle spielte? nein, das kann man nicht sagen. allein das oben erwähnte zitat nach klee zeigt, welche rolle die kunst in der grundlehre spielte. und natürlich sah man auch die bilder der lehrer. ich erinnere mich noch an die große zahl von bildern mit denen damals vordemberge-gildewart an die hfg anreiste. wir waren sehr froh, damals diese bilder sehen zu können. besonders wichtig für mich war der unterricht von max bense. dort musste ich unbedingt dabei sein und zuhören, auch wenn ich mich mit dem deutsch noch schwer tat. ich musste diesem mann einfach zuhören, ihn sprechen sehen; er war für mich wie ein magier. alle studenten waren begeistert von bense, auch wenn ich glaube, dass nur wenige verstanden haben, was er meinte. bei mir dauerte es etwa vier monate, bis ich die zusammenhänge verstand. bense war der kopf dieser chaotischen gesellschaft. hat bense sich für die malerei ausgesprochen? immer. max bense hat mit seiner informationstheorie einen großen einfluss auf meine plakate und auch meine malerei ausgeübt. was ich bei bense gelernt habe ist, dass information direkt gegeben werden muss, ohne störung, ohne zutaten. welche rolle spielt die information für die konkrete kunst? jedes konkrete bild ist ein gegenstand und jeder gegenstand hat eine bestimmte information. das portrait der information ist der titel. ein bild ohne titel ist absurd, weil ein titel eine ganz einfache information ist, eine identifikation der information. alles muss irgendwie bezeichnet werden. jedes meiner bilder hat einen titel. das bild in der sammlung „kunst + design ingolstadt“ heißt „zwei konvexe hälften“. und was ist die eigentliche information? die eigentliche information ist zunächst die substanz, das bildkonzept, das ist die erste information. die zweite information ist das glück, dass diese idee ein neues objekt geschaffen hat, das eine ästhetische innovation enthält. auch bill nahm am unterricht von bense teil und bense sagte zu bill, hol mir das bild, das ich in deinem haus gesehen habe. bill kam mit einem grauen bild wieder mit verschiedenen schwarzen quadraten in einem raster und eines der quadrate war weiß. nach bills vorstellung war dieses eine quadrat weiß, weil es auf einem treffpunkt von verschiedenen koordinaten lag. diese konkrete komposition hat bense überhaupt nicht interessiert. ihn interessierte an diesem bild, dass das weiße quadrat in diesem zusammenhang die höchste information über ein quadrat überhaupt war. in einem feld voller gleicher quadrate gab es ein einziges, mit dem gleichen format, welches das wichtigste war. und dann sagte er beiläufig, „wenn die höchste information eines quadrats ein kunstwerk werden kann, dann kann auch die höchste deformation eines quadrats zum kunstwerk werden. das überlasse ich aber dem maler.“ als ich das hörte, lud ich bense in mein atelier ein und zeigte ihm das bild, das ich damals „der deformierte ring“ nannte. ob beeinflusst durch bense oder nicht, beschäftigte ich mich schon damals mit dem problem der deformation. mir war bewusst, dass bill, wohl beeinflusst durch ein gemälde von malewitsch, ein bild in sfumato gemalt hatte. die sfumatotechnik ist eine äußerst beliebige angelegenheit. ich wollte durch die punkte des rasters diesen farbvorgang besser kontrollieren. durch das raster gelangte ich nicht zur relativierung sondern zur präzisierung der struktur und dadurch zur deformation. mir wurde bewusst, dass ich dadurch die geometrische malerei deformieren konnte, wie picasso die naturalistische deformiert und dadurch neu formiert hatte. dadurch bezog ich als noch relativ junger maler eine gewisse gegenposition zur konkreten malerei. sie können zum beispiel im museum im kulturspeicher in würzburg sehen, dass mein bild als einziges eine andere sprache spricht. das ist keine bidimensionale sprache mehr. es gibt eine ordnung in meinen bildern, die mathematische relation, aber sie sind nicht mehr flach. und gerade diese dreidimensionalität führte mich damals zu der neun künstlergruppe, zu zero. jedenfalls hat bense sehr viel über malerei gesprochen und die malerei hat an der hfg eine große rolle gespielt. bill hat zwar nicht an der hfg gemalt, aber er war umgeben von bildern und hat diese auch den studenten gezeigt. vordemberge-gildewart hat täglich gemalt. ich erinnere mich an mindestens vier bilder von maldonado, sehr gute bilder. es gab eine perversion von design – die künstler sind zum design pervertiert – ich bin einer der wenigen, die das nicht mitgemacht haben. ich habe einfach graphikdesign und kunst gemacht und dabei die malerei nicht verraten. das war allerdings sehr schwer, denn schon max bill sagte mir, dass ich in ulm nicht malerei studieren könne, dass es in ulm keinen unterricht in malerei gäbe und doch war das für mich die beste malereischule. ich behaupte heute, dass die hochschule für gestaltung in ulm die beste kunstakademie war – damals und bis heute. wer machte denn die vorgabe, dass ulm keine kunsthochschule sein sollte? das ging von bill aus. er sagte mir, als ich den wunsch äußerte, bei ihm zu studieren, die hfg ulm sei für eine junge deutsche generation, die durch den krieg von der allgemeinen europäischen kultur abgeschnitten worden ist. sie sei nicht für romantische maler, die in paris leben. wie erklären sie sich, dass gerade ein mann wie max bill, dem die kunst soviel bedeutet hat, die kunst an der hfg offiziell abgelehnt hat? vermutlich hatte er angst, dass sich die gleichen „fehler“ wie am bauhaus in ulm wiederholen könnten. hätte er sich konseqünt für die kunst eingesetzt, hätte eine persönlichkeit, wie etwa joseph beuys, professor in ulm werden müssen – eine hohe vision. er tat sich natürlich auch leichter, die kunst auszuschließen, da er selbst gemalt hat und auch nicht aufhörte, für sich selbst zu malen. das war ein bewusster schachzug von ihm. als ich die oben erwähnte absage von bill erhalten hatte, war mir bewusst, dass ich nicht an die hfg gehen konnte. trotzdem bin ich mit meiner vespa nach ulm gefahren, wo ich inge aicher kennen gelernt habe. dann bin ich weiter nach stuttgart gefahren, zu willi baumeister. da ich als brasilianischer beamter beurlaubt war, brauchte ich die bestätigung einer schule, dass ich dort studierte. baumeister war bereit, mich aufzunehmen und schrieb auch an den brasilianischen präsidenten, obwohl ich ihm klar gesagt hatte, dass ich eigentlich bei bill studieren wollte und nur in stuttgart wegen der nähe zu ulm studieren würde. er nahm mich mit einer enormen herzlichkeit auf, führte mich in stuttgart herum, zeigte mir die künstlercafés und sein atelier. er erklärte mir seine bilder, erläuterte mir, wie er mit dem kamm die strukturen auf den bildern schuf. die gastfreundschaft und geduld dieses großen mannes hat mich sehr beeindruckt. es kam dann aber doch noch zu einem treffen mit bill. er sagte zu mir, „sie wissen, dass wir hier keine kunst machen, aber einen löffel zu entwerfen ist genauso wichtig wie ein bild zu malen, wenn diese arbeit mit präzision ausgeführt wird. wenn diese präzision erreicht wird, kann ein wunder geschehen. wir haben kunst nicht in unserem programm, aber wenn eine heutige kunst entsteht, so entsteht sie auch bei uns.“ wurde im unterricht auch der begriff „konkrete kunst“ diskutiert? der begriff wurde viel verwendet und besprochen. auch in der sprache wurde dieser begriff diskutiert, schließlich war ja auch eugen gomringer, der vater der konkreten poesie, in ulm. am ulmer museum wurden ausstellungen zur konkreten kunst gezeigt. man weiß heute ja gar nicht mehr, welche bedeutung das wort „konkret“ damals für die kunst hatte. auch in brasilien, meiner heimat, gab es konkrete künstler und konkrete poesie und im museum of modern art in rio gab es ausstellungen zur konkreten kunst. es gab einen regen austausch unter den konkreten künstlern und natürlich auch zwischen ulm und anderen zentren. wie sehen sie das verhältnis von kunst und design aus der tradition eines ehemaligen hfglers? gibt es eine trennung zwischen diesen beiden gestalterischen feldern? unsere zivilisation beginnt nicht mit der hfg. schon im alten ägypten gab es eine schule für gestaltung, die „deir el-medineh“, um die besten maler, die besten bildhauer und die besten architekten auszubilden. der pharao persönlich hat sich für diese schule interessiert. als ich über diese schule las, hatte ich den kuhberg vor augen. es gab in ägypten eine ungeheure spezialisierung: so waren künstler darauf spezialisiert, nur die konturen zu malen. man kannte schon die schablone, und man arbeitete eigentlich schon industriell. nein es gibt keine unterscheidung zwischen kunst und design. um wieder zu max bense zurück zu kommen: alles was der mensch macht, ist ein gegenstand. jeder gegenstand ist design. ein bild ist design, genauso wie eine skulptur. jeder gegenstand hat einen spezifischen gebrauchswert. wir sitzen, wir trinken und wir haben unsere geistigen bedürfnisse. literatur, malerei, theater, musik, das sind alles unsere geistigen bedürfnisse. die trennung von kunst und design ist absurd. kunst ist design, so einfach ist das und ich habe daran keinen zweifel. nehmen wir zum beispiel die gestaltung des ausstellungsplakats. die gestaltung mit den vier dreiecken ergibt sich daraus, dass es vier informationen gibt. gleichwohl stellt das plakat einen bruch dar mit dem, was ich bei otl aicher gelernt habe. eine formalistische lektion von aicher war, dass jede schrift auf dem plakat die gleiche größe haben muss. bei diesem plakat hier aber, bei dem jedes dreieck eine unterschiedliche information repräsentiert und die informationstexte unterschiedliche längen aufweisen, versuchte ich zwar die gleiche schriftgrößen beizubehalten, aber es war nicht möglich. allein die information museum für konkrete kunst ingolstadt ist eine riesenstruktur. die gestaltung richtet sich nach diesen strukturen, und die strukturen ermöglichen vier verschiedene schriftgrößen. diese variation ist möglich, weil es einen grund dafür gibt. wenn man in der gestaltung sagt, etwas muss so sein, so stimmt das nicht. warum muss etwas so sein – nein es muss einen grund dafür geben, sonst ist es formalismus. wie kam es zu der entwicklung der modulplakate und der additiven plakate? ich arbeitete damals für ein museum und das konzept beruhte auf dem gedanken, dass das museum ein ort ist, an dem wechselausstellungen stattfinden. es ist also ein zusammenspiel aus einem und vielen, einer konstante und einer variante. die konstante verlangt die variante und die variante verlangt die konstante. dies ist das zusammenspiel: die konstante ist das museum und die variante ist der wechsel der ausstellungen. die idee war, für diese konstante, das museum, eine art von signet zu entwerfen, ein signal, das sich für jede ausstellung in einer form von interpretation wiederholte. zunächst war das vor allem eine farbige variation. das war die geburt des modulplakats, die nicht zuletzt aus ökonomischen gründen heraus geschah. hat sich das additive plakat aus dem modulplakat heraus entwickelt? dieses erste modulplakat, das ich für das museum in ulm entwickelt habe, kann man sogar als additives plakat verwenden. beim additiven plakat ging es mir um die gestaltung von großen flächen – insofern war es ein ganz anderer ansatz als beim modulplakat. das interessante am additiven plakat ist: je größer die fläche, umso vielseitiger und spannender ist das ergebnis. diesen unterschied kann man sehr schön beim ingolstädter ausstellungsplakat beobachten. auf der einladungskarte taucht das plakat viermal auf, ein sehr schönes motiv. beim katalog ist es jedoch - um ein naturalistisches bild zu gebrauchen - als ob ein schwarm von schmetterlingen über den einband fliegt. wie ist das verhältnis von gestaltung und information in ihren plakaten? gestaltung beim plakat ist information! es gibt textinformation und bildinformation. die wichtigste textinformation, von der ich bei der gestaltung des plakats für ingolstadt ausgegangen bin, ist „museum für konkrete kunst“. konkrete kunst basiert auf einer hohen präzision der darstellung. ich hatte diesen entwurf schon vorher gemacht, ohne ihn für einen bestimmten zweck vorzusehen. er war einfach da und hat gewartet. diese geometrische komposition erwies sich als exakt geeignet für das plakat. es gibt vier informationen: das museum, der künstler, wobei der name „almir mavignier“ weniger wichtig ist, als die information „plakate“. genauso wie die information „ingolstadt“ für den namen des museums sehr wichtig ist, weshalb „plakate“ und „ingolstadt“ extra positioniert wurden. die dritte information ist der katalog und die vierte information sind die öffnungszeiten. die gestaltung eines plakats muss einzigartig sein und überraschend. die textinformation muss so kurz wie möglich sein, je kürzer, desto eindringlicher. ein plakat ist kein roman, sondern ein telegramm. oder lassen sie es mich etwas aphoristisch sagen: „der unterschied zwischen einem plakat und einem gemälde ist ein stuhl“: sie brauchen einen stuhl, um ein bild optimal anzuschauen. man will jedoch eigentlich kein plakat sehen. ein plakat ist räuberisch, ein plakat ist eine art piraterie. niemand geht auf die strasse, um ein plakat zu sehen. das plakat überfällt einen, wenn es ein gutes plakat ist. dabei spielt natürlich etwas eine große rolle, von dem schon maldonado an der hfg immer gesprochen hat: der geschwindigkeitsfaktor. die plakatgestaltung bei toulouse-lautrec musste ganz anders aussehen als in der heutigen hochgeschwindigkeitszeit, da man damals noch in kutschen gefahren ist. eigentlich müsste man heute einmal die gestaltung von plakaten für flugzeuge untersuchen. geht es bei bild und plakat um die vermittlung von information? liegt der unterschied zwischen einem bild und einem plakat darin, wie information vermittelt wird? das plakat hat eine bestimmte information, das bild eine unbestimmte information. in dieser unbestimmtheit liegt auch ein teil des informationswertes des bildes. für den einen bedeutet das bild a, für den anderen b, für einen dritten c. bedeutet das, dass sie dem betrachter überlassen, welche information er dem bild entnimmt? ja, das ist für mich ein muss. die hauptsache ist für mich die faszination. natürlich kann auch ein gutes plakat faszinieren. deshalb sind ja die übergänge fließend. abschließend noch einmal eine frage zur hfg. sind die ideale der hfg ein mythos oder sind sie noch zeitgemäß? nein sie sind kein mythos, sie sind noch sehr virulent: funktionalität, die form als ergebnis eines konzepts, ohne konzept kein produkt. diese ideale sind das erbe der hfg und sie sind sehr lebendig. aber auch in meinem kunstunterricht an der akademie in hamburg habe ich versucht, die ideale der hfg umzusetzten. kunst kann man nicht unterrichten, da man nicht weiß, was kunst ist. ich habe lediglich versucht, die jungen künstler darin zu fördern, ihre persönlichkeit selbst zu entdecken. herr prof. mavignier, wir danken ihnen für dieses gespräch. |
seminar max benseerinnerungen an das seminar von max bense in der hfg
ulm 1953 – als kunstmaler bin ich aus rio de janeiro über paris nach ulm gekommen. ich sprach portugiesisch, französisch und italienisch. kein deutsch.
der schulbau auf dem kuhberg war noch nicht begonnen. der kuhberg war grün – studenten und dozenten ebenfalls. albers und bill allerdings weise. an dem wöchentlichen seminar habe ich von 1953 bis 1958 teilgenommen. bense war zunächst die person, deren sprache unverständlich blieb. seine worte „flogen“, die kollegen waren begeistert aber hilflos, seine theorien zu deuten, sie waren nicht zu übersetzen. um 1954 begann ich zu verstehen max benses seminar war anregend für neue konzepte in der malerei. begriffe wie signal oder störung habe ich durch bilder wie „punkte als signal“ oder „störung auf schwarz“ visualisiert. punktstrukturen in progression haben in meiner malerei geometrische formen verfremdet – um neü darstellungen von geometrischen gegenständen zu entdecken. bildtitel wie „deformierter ring“, „deformierte linie“ oder „deformiertes quadrat“ weisen darauf hin. reduktion hat die gestaltung meiner plakate bestimmt redundanz war tabu. benses konzept vom kitsch – nämlich von der wiederholung und nicht vom geschmack erzeugt – war eine warnung vor der gefahr, kunstwerke in plakatauflagen zu benutzen. das werk mußte also für die plakatgestaltung verfremdet werden, was ich durch ausschnitt oder foto-umkehrung realisiert habe bei einem seminar um 1957 bat bense bill, das bild „weisses quadrat“ aus seinem atelier zu holen, um es im unterricht zu erklären. das bild zeigt ein feld von gleichformatigen schwarzen quadraten auf grauem hintergrund. nur ein quadrat ist weiß und überstrahlt dadurch alle anderen quadrate. bense bewertete das bild als die höchste information eines quadrats und zwar als „innovation“, die das bild zum kunstwerk macht. diesbezüglich hat er behauptet: „wenn die höchste information eines quadrats ein kunstwerk machen kann, dann könnte es die höchste deformation ebenfalls tun. dies aber überlasse ich den malern.“ die antwort darauf gab ich gleich danach, durch ein bereits fertiges bild, in dem punktprogressionen die form eines ringes verfremdet haben. „das ist aber kein quadrat“, bemerkte er. mir ging es allerdings nicht um das quadrat, sondern um die deformation. der einfluß von benses seminar auf mein kunstkonzept ist im ausstellungsprojekt von 1975 für die neue sammlung münchen festgehalten: „kunst ist information – wo ästhetische information sich wiederholt, ist sie keine mehr. dann wird die grenze zur dekoration erreicht.“ almir mavignier 14. juli 1998 |
asta neuwahlen 1957neuwahl des asta-studentenvertreters der hfg
hintergrund der wahl ist die auseinandersetzung über das „hfg-memorandum 1957 – die situation der hfg betreffend, protestnote des studienvertreters im auftrag des studentenrates – an den kultusminister des landes baden-württemberg“ beinhaltet war auch die besorgnis über das schicksal von max bill an der hochschule die asta-vertretung wurde als reaktion auf das memorandum aufgelöst. da diese entscheidung eine entgleisung war, ist die auflösung der vertretung zunächst rückgängig gemacht worden, um danach neu wählen zu können wie aus dem wahlergebnis hervorgeht, wurde der abgesetzte vertreter wiedergewählt was damals fotoreportage war, ist heute fotodokumentation. sie macht den kampf der studenten für ihre überzeugung sichtbar und zeigt die jungen gesichter heute reifer architekten und designer fotos: mavignier |