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almir mavignier ist ein sehr erfolgreicher und eigenwilliger künstler, der neben seinen gemälden und graphiken hervorragende plakate macht." |
Vorwort zur mavignier ausstellung "plakate" 1981
almir mavignier ist ein sehr erfolgreicher und eigenwilliger künstler, der neben seinen gemälden und graphiken hervorragende plakate macht. zahlreiche einzelausstellungen im in- und ausland, öffentliche aufträge, viele seinem werk gewidmete kataloge und aufsätze sowie eine professur an der hamburger hochschule für bildende künste setzen die akzente in seinem beruflichen leben. uns interessiert hier - in der vom museum für kunst und gewerbe veranstalteten reihe hamburger künstler — mavignier vornehmlich als schöpfer von fast 200 plakaten, die ersten noch in seiner ulmer studienzeit entstanden, die neuesten für den weltspartag und diese ausstellung geschaffen. meines wissens gibt es heute keinen anderen künstler in deutschland, der in seinen plakaten eine derartige fülle des motivischen, eine derart disziplinierte disposition des graphischen, eine derart präzise kontrolle bei den drucktechnischen vorgängen bietet. seine plakate sind vorbildlich im wahrsten sinne dieses wortes. maler der zeit um 1900 haben, angeregt vom japanischen hofzschnitt und mit hilfe der neueren entwicklung in der lithographie, in einer künstlerisch ungemein aktiven zeit plakate von hoher eindringlichkeit geschaffen. so hat toulouse-lautrec in einem berühmten blatt das phänomen yvetie guilbert, die atmosphäre des concert und der metropole paris, und den neuen revolutionären stil genial auszudrücken vermocht. als graphisches kunstwerk und als hinreißendes werbemittel ist es, wie zahllose andere plakate dieser periode, in die geschichte des künstlerischen plakats eingegangen. die konstruktivistischen plakate russischer und deutscher maler oder die sogenannten malerplakate der nachkriegszeit erreichen eine vergleichbare qualitätsstufe, auch in ihrer funktion als werbemittel. mavigniers plakate sind seinen bildern und freien graphischen blättern gleichwertige schöpfungen künstlerischer phantasie, die auch als mittel der werbung außerordentliche wirksamkeit besitzen. so entwickelt er oft aus einern plakat oder einem plakatentwurf eine eigenständige graphik — eine »plakat-graphik« ohne »gebrauchswert«: angewandte und freie kunst werden nicht durch künstlich gesetzte grenzen voneinander getrennt, sondern sind abgewandelte formen eines künstlerischen willens. seine plakate werben vor allem für kunstausstellungen und für museen, gelegentlich für das theater, für ein restaurant oder den weltspartag. seine auftraggeber sind museen und kunstgalerien des in- und auslandes, von berlin bis zürich, von hamburg und philadelphia bis ulm und säo paulo. mit ihnen arbeitet er am liebsten zusammen, sie lassen ihm (anscheinend?!) die größte freiheit im entwurf und in der ausführung. denn: weitestgehende unabhängigkeit im künstlerischen benötigt almir mavignier für seine gestalterischen ideen. da er selbst höchst diszipliniert und in vielen seiner entscheidungen kompromißlos ist, sind freiheit im thematischen, in der graphischen disposition, in der farbwahl und der drucküberwachung voraussetzung für seine arbeit. dazu gehören auch größe und schreibweise des textes. hier gibt es sicherlich manchmal kontroversen, die aber fast durchweg zu gunsten mavigniers entschieden werden. als brasilianer schreibt er gern alle wörter klein, auch im deutschen (latein, stephan george!). auf einem plakat kann das zu extremen lösungen führen, wenn sich nämlich der text dem bildkünstlerischen konzept zu unterwerfen hat und in winzigen minuskeln, gelegentlich dunkel auf dunkel, gedruckt wird. oder es beherrschen drei kreisflächen in leuchtenden signalfarben die fläche, der text jedoch ist am unteren rand in 6-punkt gesetzt (für berlin, nr. 130 die plakative wirkung der monumentalpunkte ist das lockmittel für die ausstellung, die entzifferung der texte bleibt nebensächlich. dar kampf um den buchstaben, d. h. um die lesbarkeit der inschriften auf den plakaten, ist jedoch ein guter kampf, da er die position der »kontrahenten« zu klären vermag. in dem »give and take« mag dann der künstler um etwa 5% von seinem standpunkt abweichen, der auftraggeber dagegen gibt - zumeist zu recht - 95% seiner argumente zu gunsten des vorgelegten entwurfes auf. das fertige plakat ist wohl immer der beweis für die richtigkeit des ursprünglichen entwurfes von mavignier. woran sind mavigniers plakate erkenntlich? neben dem sorgfältig abgewogenen schriftbild sind für ihn seine bekannten punktförmigen rasterstrukturen typisch. viele seiner plakate und freien graphiken zeigen varianten dieses gestaltungsprinzips, das von ihm selbst und anderen autoren zur genüge analysiert worden ist und daher hier keines kommentars bedarf. gibt es aber besondere merkmale, die seine plakate von denen anderer künstler unterscheidet? mir scheint, daß für viele mavignier- plakate ein perfektionismus im formalen wie im technischen charakteristisch ist, der diese auf die stufe sorgfältig gedruckter freier graphik - etwa im sinn vasarelys - hebt. derartige, im siebdruck- oder offsetverfahren hergestellte plakate genau zu betrachten, mit ihnen umzugehen, sie in den händen zu halten und vorsichtig zu befühlen, bereitet einen besonderen, haptischen und ästhetischen genuss. nach den relativ einfachen blättern der frühen ulmer zeit (nr. 34 ff.) ist gerade ihnen ein höchstmaß an drucktechnischer ausführung eigen, das man sonst nur bei serigraphien geringer auflage von zeitgenössischen graphikern findet. perfektion im handwerklichen und absolute beherrschung der formalen mittel scheinen mir die hervorragenden kennzeichen dieser plakate zu sein. ihnen geht ein denkprozeß von großer klarheit und eindringlicher logik voraus. motivwahl und entscheidung für bestimmte gestaltungsprinzipien können gelegentlich spontan getroffen werden. so entschied sich mavignier auf unsere bitte, ein plakat für unser haus zu entwerfen, nach einem rundgang durch die sammlungen spontan für die in farbigen steinen eingelegte blumenvase in einem möbel des 17. jahrhunderts (nr. 153, 154). zumeist aber sind seine plakate resultat eingehender methodischer überlegungen. erste ansätze zu mavigniers »logischen reihen« sieht man in den 1957 - 1960 für das ulmer museum entwickelten, kleinformatigen schriftplakaten, für die ein einfaches raster- oder modulsystem von quadraten verbindlich ist. farben und position der quadrate wechseln von ausstellung zu ausstellung (nr. 34 ff., vgl. abb. 1); das für unsere jetzige ausstellung werbende piakat ist eine späte und stark umgewandelte variante dieses motivs (nr. 180). ab 1960 beginnt er dann für ulm mit einer neuen, vertikal zweigeteilten serie von erstaunlicher variationsbreite. von einer zweiteilung in farbstreifen (nr. 35, abb. 2) bis zur einbeziehung von motiven, die dem jeweiligen ausstellungsthema entnommen sind (nr. 39, 46, 48; nr. 57, abb. 3), gelingt ihm eine gruppe von klarer typographie, bei der sich das überaus einfache system als erkennungszeichen für »mavignier-ulm« als unendlich variabel erweist. das methodisch erdachte system von festen komponenten mit variationen ist ein charakteristikum seiner künstlerischen sprache. seine rasterbilder, mathematisch genau berechnet und optisch von eigentümlichen reiz, liefern gleichsam den nährboden für das grundlegende prinzip seiner plakatentwürfe (nr. 52, abb, 4). insbesondere für seine eigenen ausstellungen nimmt er das thema der punktkonstellationen auf und wandelt es auf unterschiedlichste weise ab. seinen freien serigraphien nah verwandt, gehören diese plakate zu den optisch reizvollsten arbeiten in der geschichte des zeitgenössischen ptakats. »permutationen« ist eines von vielen beispielen dieses genre (nr. 53; vgl. abb. 5). zu weiteren varianten unterschiedlichster prägung gehören plakate wie »punktum« (nr. 95) sowie blätter mit der makrophotographie eines farbkegelfeldes aus einem seiner gemälde (nr. 101) oder mit der röntgenaufnahme seiner hand, die den nagel, sein »malwerkzeug«, hält (nr. 111). ähnlich konzipiert sind andere plakatfolgen, die gleichzeitig auch als selbständige graphiken zu begehrenswerten sammelobjekten geworden sind. so ließ sich mavignier von einem gemälde philipp otto runges anregen, für die kunsthalle in der hamburger museumsplakat-serie einen ausschnitt aus dem »morgen« zu nehmen (nr. 159). zur runge-ausstellung folgten darauf plakate sowie plakat-graphiken mit den vier tageszeiten, gedruckt auf dunklem und papier (nr. 167). damit entstand insgesamt fast ein dutzend varianten von beachtlichem, graphischem zauber. eine ähnliche fülle von variationsmöglichkeiten bieten die zum teil unausgeführt gebliebenen, konstruktivistischen entwürfe additiver art, ebenfalls für die hamburger kunsthalle (nr. 128), die in verschiedenen tönen angedruckten plakate zum weltspartag (nr. 179) oder die blätter für die biennale von sao paulo (nr. 74-75) und das brasilia restaurant in hamburg {nr. 139 bei all diesen entwürfen sind bildmotiv und varianten nicht allein entscheidend für die qualität der plakate. mavignier erstrebt höchste professionelle ausführung in allem, was er für den auftraggeber schafft und liefert, das macht ihn liebenswert! kunde und drucker können dabei zwar manchmal ob der wünsche mavigniers in leichte verwirrung geraten, sie werden aber auch angespornt, ebenfalls den allseits ersehnten qualitativen gipfel zu erreichen. wie hat mavignier recht, wenn er die formalen elemente und die motivwahl für unveränderlich erklärt, wenn er auf absolute perfektion beim drucken besteht, wenn er an der einmal entschiedenen typographie festhält und unnachgiebig auf papierwahl und genau geregelte farbmodulationen wert legt. dann aber erscheinen blätter auf dem tisch der erwartungsvollen »kunden«, die mit freudiger zustimmung begrüßt werden, um nach wenigen wochen oder monaten zu den begehrten mavignier-plakaten von beträchtlicher seltenheit zu zählen. das papier spielt dabei eine ebenso wichtige rolle wie die formale gestaltung und die farbliche nuancierung. ein schweres papier oder eine plastikfolie für die siebdrucke setzt plakate den nummerierten und signierten serigraphien gleich, wobei die empfindliche, fühlbar reliefierte oberfläche in ihrer differenzierten struktur zur kostbarkeit des werkes beiträgt. für eine ausstellung expressionistischer graphik wählt mavignier ein getöntes, billig erscheinendes papier (nr. 69), für getulio wird ein orangefarbener untergrund genommen, um die erstrebten valeurs der gedruckten farbe optimal zu erreichen (nr. 60). strukturiertes weiß erhöht die wirkung der plakate für essen (nr. 135) und hamburg (nr. 153), ein dem gold altdeutscher tafelmalerei angenäherter, absichtlich einem alterungsprozeß unter- worfener ton wird bestimmend für das martin schafner plakat (nr. 28). dieselbe aufmerksamkeit für die kleinste »nebensächlichkeit« schenkt mavignier auch der mit hilfe der photographie entstandenen bildgestalt. die sorgsam gesteuerte objektaufnahme (vase: nr. 138; echnaton: nr. 88, abb. 6) und ihre umkehrung ins silhouettenhafte (schild: nr. 146), der stark vergrößerte ausschnitt (medaille: nr. 160) oder das ins monumentale gesteigerte detail (knie: nr. 147), die dramatisierte verfremdung des objektes (kopf: nr. 160; schiff: nr. 161) oder die umwandlung eines details in eine graphische negativform (blatt: nr. 84) exemplifizieren wiederum das vom künstler so meisterhaft angewandte prinzip, eine bildform - hier photographie statt höchst phantasievoll abzuwandeln. dabei gelingen ihm in seinem münchener vasenplakat (nr. 138) oder in den hamburger plakaten mit echnaton (nr. 88, abb. 6) und der blumenvase (nr. 153, 154) beispielhafte synthesen von zentralem bildmotiv, text und farblich-graphischer gestaltung. daß dabei auch - gewollt oder ungewollt - überdrucke von surrealistischer wirkung entstehen können, bereichert nur die thematische fülle seines oeuvre (altonaer und helms museen, nr. 157, 158). ‚almir mavigniers neuere plakate entstammen verschiedenen motivkreisen, die, jeder allein, bereits das werk eines begabten graphikers ausmachen würde. dabei bewegt sich mavignier auf mehreren ebenen künstierischer möglichkeiten, die s ihm erlauben, die jeweils »richtigen«, d. h. für ihn und das gegebene thema richtigen komponenten auszuwählen. punktstruktur, photographie oder konstruktivistisch- graphische flächengestaitung werden in immer neuen variationen mit präzis in das bildfeld gesetzten texten und den im druckvorgang genau kontrollierten farbwerten vereint, um plakate von großer schönheit, handwerklicher genauigkeit und werbewirksamer ausstrahlung zu schaffen. wir freuen uns auf die künftigen 100 oder 200 plakate der nächsten jahrzehnte! axel von saldern ausstellungskatalog "mavignier plakate" museum für kunst und gewerbe hamburg, deutsches plakatmuseum essen, 1981 |
ulmer zeit |
modulplakate |
das gestalterische konzept dabei ist die teilung der struktur
in zwei elemente: konstante und variante eine konstante grundform verweist auf das museum als veranstalter und deren farbvarianten auf das ausstellungsprogramm. angefangen 1957 mit einem mavignier-plakat für drei ausstellungen unter verwendung der gleichen komposition als konstante wurde die erste serie für das ulmer museum gestaltet innovativ war der druck der auflage zunächst ohne schrift. schriftinformationen zu wechselausstellungen wurden jeweils nachträglich eingedruckt, was preisgünstiger war, als jede auflage neu drucken zu lassen. |
Herbert Pée über almir mavignier als plakatgestalter
almir mavignier, brasilianer aus rio 1951 nach europa 1953-1958 hochschule für gestaltung, ulm, beeinflußt (und zur konsequenz erzogen) von max bill und josef albers seitdem freischaffender maler und graphiker in ulm 1965 professur für malerei an der staatlichen hochschule für bildende künste, hamburg mavignier kommt von der malerei und bleibt bei ihr. dennoch sind seine plakate keine nebenprodukte. sie resultieren aus den erfahrungen, die er beim malen gewonnen hat. die punktuellen strukturen seiner bilder unterliegen einer rationalen bildrechnung. farbige und formale konstellationen und abläufe werden programmiert und systematisch und oft automatisch abgehandelt. indem sie dem gesetz folgen, das ihnen mitgegeben ist, befreien sie sich von der subjektiven intuition. unter dem zwang ihrer eigenen logik verselbständigen sich die bilder und »entfernen sich vom künstler und von allen chaotischen einflüssen, wie geschmack, tradition, mode, kunsthandel oder prestige« (zitat mavignier). daß dennoch durch die definierte form eine letztlich undefinierbare psychische aussage dringt, sei hier nur am rande erwähnt. diese objektivierung ist die ideale voraussetzung, um visuelle phänomene zu studieren, zu destillieren und zu ungetrübter wirkung gelangen zu lassen. sie sind der inhalt aller »op art«, zu deren protagonisten mavignier seit mehr als zehn jahren gehört. sein bedürfnis, optische ereignisse rein zur darstellung zu bringen, führte ihn geradenwegs zum plakat. mavigniers plakate sind - nach dem gesagten fast erwartungsgemäß - von eklatanter optischer wirksamkeit. ein eminenter ordnungssinn konzentriert die aussage, ein gefühl für demonstrative farbigkeit versinnlicht sie und macht sie lebendig. die mittel: form, farbe, schrift und zahl sind elementar und ungehindert zur geltung gebracht. die inhaltliche mitteilung hängt nicht von dem zufälligen aussehen des anzukündigenden ab. mavignier reproduziert nicht dessen erscheinung, sondern integriert dessen wesen, dessen unverwechselbare eigen-art nahtlos den auf sie hingerichteten (doch niemals kompromißgeschwächten) künstlerischen mitteln. das optische, pur gehandhabt und doch ganz bei der sache, hat den vorrang vor allem illustrativen, das plakathafte löscht alles nur erzählende aus. diese plakate ziehen den blick auf sich wie signale; sie sind ebenso wirksam und ebenso ungesprächig wie diese: optische symbole. sie sind nicht eigentlich reklame. sie sind zu stolz, um zu buhlen. sie dienen - sehr sachgerecht und ungemein nobel — anspruchsvollen dingen auf eine anspruchsvolle weise für ein anspruchsvolles publikum. mavignier hat fast ausschließlich plakate für kunstausstellungen geschaffen, 23 allein für das ulmer museum, eine glanzvolle folge. hier hat er gelernt, auch ihm entfernter liegende dinge zu bewältigen. am nächsten steht ihm naturgemäß konkrete malerei, voran seine eigene. ganz den ästhetischen objekten zugewandt, werden diese plakate unter der hand selbst zu kunst, richtig verstandene und richtig angewandte »op art«. ihr wert errechnet sich nicht allein aus ihrer nützlichkeit, so wenig wie bei toulouse lautrec. auch wenn sie damit an der grenze der optischen werbung stehen, erscheinen sie im hinblick auf die grundsätze, die sie verwirklichen, wie modelle für eine neue, eindringliche und präzise form visueller kommunikation. herbert pée (text aus gebrauchsgraphik 1985, nr. 10 und ausstellungskatalog "mavignier plakate" museum für kunst und gewerbe hamburg, deutsches plakatmuseum essen, 1981) Herbert obermüller:
"das plakat als gestaltungsmodell" bilder und plakate sind für mavignier nicht gegenwelten, plakate nicht primär existenzsicherndes nebenprodukt von kunsttheoretischen einsichten. des künstlers erstes anliegen bleibt denn auch die neuorganisierung der bildstruktur und - in der graphik - deren erprobung im spannungsfeld weitgehend automatisierter druckabläufe. plakate aber machen es möglich. die tätigkeit des künstlers vor der öffentlichkeit zu testen und sein gestalterisches formenpotential in eınem zeitgemäßen massenmedium wirksam einzusetzen. obgleich mavignier mit seinen plakaten nur ein begrenztes zielpublikum anzusprechen vermag, hat er das problem der isolierung des heute lebenden künstlers ın der gesellschaft durch kritische bejahung dieser gesellschaft gelöst. hand dazu hat die ulmer hochschule für gestaltung mit ihrer forderung nach einer zeitnahen. auf die bedürfnisse der industriegesellschaft ausgerichteten produktgestaltung. mavignier nimmt diese ziele ernst, so ernst, daß er einen abgelehnten plakatentwurf für das technische museum« in münchen dennoch von einer kunstedition auflegen laßt. das beispiel führt drastisch vor augen, was gespräche bestätigen, die exemplarische bedeutung, die der künstler seinen plakaten über ihre augenblickliche zweckbestimmung hinaus beimißt. plakate haben für ihn den rang von demonstrativen gestaltungsmodellen. vorbilder schaffen bedeutet aber auch beschränkung auf ein teilgebiet: dasjenige des kulturellen plakates. mavignier hat erkannt, daß er nur hier neues und letztlich eigenes durchsetzen kann, weil das kommerzielle plakat, um die große masse zu erreichen, bereits bekannte stilphänomene und modelle tradieren muß. solches selbstvertrauen in das eigene schaffen entwickeln zu helfen, war das ziel von herbert pee. dem ehemaligen leiter des ulmer museums. nicht weniger plakate fur verschiedene anlässe dieses museums hat mavignier ın beinahe ununterbrochener folge entworfen und sich dabei die spezifischen gesetzmäßigkeiten der gattung plakat zu eigen gemacht. anfängliche versuche, die konkrete bildordnung unter hinzufügen von schriftelementen ins plakat zu übernehmen, machen bald einer eigenständigen, von der vorgegebenen norm befreiten sichtweise platz. ausgehend von dem gebot, die aufmerksamkeit des abgestumpften sehkonsumenten bei der täglichen medienflut zu erwecken, sucht mavignier seinen unverwechselbaren stil. plakate, so meint er, seien eigentlich telegramme, minimale. gerade notwendige information, deren typographie im verhältnis zum reichlich großen format eher klein zu bemessen sei. der kontrast zur signalwirkung großer farbflächen ist eklatant indem diese einen reizeffekt auslösen und neugierde wecken, zwingen sie den passanten, sich auf das plakat hin zu bewegen, um dıe klein geschriebene information zu entziffern. die spannung von groß und klein macht zu einem gutteil seine effizienz aus. hinzu kommt eine durchaus fremdländische. für europäische ‚augen ungewohnte palette, die einmal in den brasilianischen nationalfarben grün-blau-gelb-weiß gipfelt, ein andermal ins raffinierte gesteigert ist, wie z. b. bei »punktum«, 1966, wo die schwarze schrift sich nur durch einen glanzeffekt vom übrigen schwarz des plakates abhebt. ein weiteres stilmerkmal legt im zusammentreffen von streng-rationalen. das ganze bildfeld überziehenden formelementen und einer auf den ersten blick spielerischen ‚anordnung der worte. solcher eindruck mag als phantasievolle zutat des künstlers mavignier gewertet werden. denn bei genauerem hinsehen wird die einheitliche, alle gestaltelemente umfassende bildrechnung erkennbar: die gegeneinander versetzten worte sind nur rhythmischer koeffizient eınes objektivierenden ordnungssinns. die übung der »konkreten poesie«, sprache durch bild und klangwerte plastischer und ihre inhalte verständlicher und einprägsamer zu machen, findet in mavigniers plakaten ihre letzte und anspruchsvollste werbegraphische konsequenz. bei durchsicht der gesamten reihe fällt der große variantenreichtum auf. nicht von ungefähr ist jedes plakat getragen vom geist des anlasses. für den es wurde. mavignier vergleicht sıch lächelnd mit einem geduldigen chamäleon, das heißt, er fugt sich ın die rolle des aufmerksamen zuhörers und macht sich den willen des auftraggebers zu eigen. solche selbstentscheidung heißt aber nicht selbstverleugnung. sıe dient der ‚aufgabe. bereits im plakat ein von dem zu vermitteln. was die ausstellung verheißt. fur die goya-ausstellung etwa wählt er den gegensatz, fur malewitsch harten, fur diesen kunstler bezeichnenden schwarz-weiß-gegensatz übernimmt er dessen elementare dingerfahrung quadrat. kreuz. kreis. das bewusstsein des betrachters stellt sich assoziativ auf die kunst goyas. auf die kunst malewitschs ein, die mavignier in seine werk nachvollzogen hat. die eigene optik will den angestrebten inhalt nicht substituierten. sie ist fast wıe nebenbei eingeflossen. einer gefahr freilich möchte mavignier entgehen. sie liegt ın der unerlaubten reproduktion und somit inflation des im grunde unantastbaren originals und seiner einmaligkeit. solches tun bedeutet für ihn »verkitschung«. nur das verfremdete original - seı es die wahl eines bildausschnitts, sei es die umsetzung des farbigen originals ın dıe schwarz-weıß-photographie - verträgt dıe belastung einer multiplikation. das plakat für dıe klee-ausstellung, 1962, und dasjenige der sogenannten »schönen ulmerin«, 1950, und viele andere können dafür als treffende beispiele gelten. allein der mensch entgeht der verkitschung. weil er, an die bedingungen der natur gebunden, nicht verkitscht werden kann. folgerichtig erlaubt es sich mavigner, eine mehr oder minder zufällige farbaufnahme, die ihn selbst und seinen sohn delmar zeigt, als sujet für das plakat einer eigenen ausstellung auszuwählen. nicht eitelkeit ist der grund für diese überlegung, sondern. nach seiner meinung. der notwendig erkennbare bezug des werks zu urheber, speziell der bezug aller geistigen tätigkeit zum leben. »man verbessere die täglich wachsende scheußlichkeit der plakate«, hat william morris einmal ausgerufen. um wie vieles berechtigter dünkt uns heute nach über 100 jahren diese forderung. mavignier hat das plakat verbessert und zu dem gemacht, was es sein könnte. seın mußte. da ist kein entwurf, zu dem er heute nicht mehr stehen würde. begriffe wie »guter geschmack« bedeuten ihm mehr als nur eine abgedroschene vokabel; sie bedeuten ihm aufrichtigkeit und formale konsequenz. neben dem unablässig sinkenden niveau unserer vollgeklebten plakatwände wirken seine plakate wie eıne noble geste, der man sich nıcht so leicht entziehen kann. peter obermüller (text aus der wegleitung 297. 1974 kunstgewerbemuseum zurich und ausstellungskatalog "mavignier plakate" museum für kunst und gewerbe hamburg, deutsches plakatmuseum essen, 1981) mavignier nimmt diese ziele ernst, so ernst, daß er einen abgelehnten plakatentwurf für das technische museum« in münchen dennoch von einer kunstedition auflegen laßt. (...) plakate haben für ihn den rang von demonstrativen gestaltungsmodellen." |
hamburger zeit |
almir mavignier über plakate
plakat
zwischen auftrag und endprodukt entwickelt sich der faszinierende zufallsverlauf eines prozesses, dessen erfolg nicht im voraus zu sichern ist. menschliches versagen ist damit verbunden und kann sowohl stören wie zu unerwarteten technischen lösungen hinführen. es vermag sogar die geburt eines plakates zu verhindern - was für das ungeborene werk bedauernswert ist plakate fördern die information, die dokumentation und die werbung sie können die wiedergabe eines verbrannten kunstwerkes retten, dessen reproduktionen vermißt sind, wie etwa das plakat »brautbild« für die ausstellung der werke oluf brarens. sie können durch fotografische bearbeitung die vermittlung von kunstwerken vergangener epochen zeitnah bringen, wie die plakate »vier zeiten« von philipp otto runge — morgen, tag, abend und nacht für die kunsthalle, oder wie das plakat »sie entdecken immer neues« mit dem auge - teil eines kopfes der ägyptischen kultur - für das museum für kunst und gewerbe. sie veröffentlichen das avantgarde-tun eines sammlers, der 1959 eine ausstellung von max bill in seiner haus-galerie veranstaltet und zum erstenmal in deutschland künstler präsentiert wie antonio calderara 1960, frangois morellet '61, getulio alviani 62, gruppe enne ’63. abraham palatnik '64 und richard anuskiewicz ‘66 — kurt frieds »studio f« in ulm 55 plakate von mavignier belegen das niveau des ausstellungsprogramms, das herbert pge zwischen 1957 und '70 für das museum der stadt ulm durchgeführt hat. das entwerfen eines plakates für den vorübergehenden betrachter bedarf der sparsamkeit eines telegramms - in schrift und bild. für den leser eines kataloges dagegen muß der entwerfer die bildnerischen und schriftlichen informationen ausführlich zusammenstellen. dafür ist die verwendung der satzspiegel ein beitrag für die lesbarkeit und ist zugleich grundlage, deren ordnung die sinnvolte entfaltung der schöpferischen freiheit des gestalters unterstützt. entscheidend für den hergang und die vollendung des auftrages aber sind nicht der designer, sondern die auftraggeber, die mitarbeiter von lithoanstalten und die drucker, die meistens hinter den fassadennamen von institutionen anonym bleiben. für diese soll im katalog ein dankeswort nicht ausbleiben, wobei einige namentlich erwähnt werden sollen. anzuerkennen ist ebenfalls der beitrag von druckereien, die die anwesenheit des grafikers neben der maschine im betrieb geduldet haben. dadurch ist der druck aller plakate vom künstler persönlich gesteuert worden und die bezeichnung original-plakatgraphik verdient. almir mavignier aus ausstellungskatalog "mavignier plakate" museum für kunst und gewerbe hamburg, deutsches plakatmuseum essen, 1981 |
der unterschied zwischen einem plakat und einem gemälde ist ein stuhl" almir mavignier ästhetische information und optisches ereignis –
die plakate almir mavigniers Interview von frank schmidt "der unterschied zwischen einem plakat und einem gemälde ist ein stuhl“ 1
dieser zunächst dadaistisch anmutende satz stammt von almir mavignier. er fasst den einfachen sachverhalt zusammen, dass man für die betrachtung eines bildes zeit benötigt, während ein plakat schnell erfasst werden muss, will es in der sinnenflut unserer modernen welt überhaupt wahrgenommen werden. er besagt in einer gewissen überspitzung aber auch, dass dies der einzige unterschied ist. während man bei einem toulouse-lautrec akzeptiert hat, dass dieser künstler in erster linie mit seinen plakaten in verbindung gebracht wird, trennt man heute gerne in künstler und designer. wie aber müsste almir mavignier bezeichnet werden: als kommunikationsdesigner, grafik-designer, gebrauchsgrafiker oder konkreter künstler? nur scheinbar wird dieses problem durch das kompositum „plakatkünstler“ umgangen. mavignier selbst hat diese frage schon vor langer zeit für sich geklärt. er sei 1953 nach ulm an die hochschule für gestaltung gegangen, um die grenze zwischen gemälde und plakat zu erforschen, habe aber gelernt, dass eine solche grenze gar nicht existiere.2 beide medien vermittelten nach mavignier eine „ästhetische information“3, die sie zu nahezu gleichwertigen trägern von gestaltung mache. fehlt diese „ästhetische information“ jedoch, handele es sich nur noch um reine dekoration. die überkommene trennung von kunst und design ist aufgehoben. auch nach fünfzig jahren hat sich diese haltung kaum in der allgemeinen wahrnehmung durchgesetzt. mavigniers umfangreiches werk, das malerei, serigrafie und plakat umfasst, demonstriert anschaulich die einheit von kunst und design. die vorliegende publikation gibt zeugnis von mavigniers zeit an der hochschule für gestaltung. im anregenden geistigen und gestalterischen klima dieser bedeutenden schule wurden die grundlagen für seine kunstanschauung gelegt. kunst war zwar offiziell kein bestandteil des lehrplans, doch ermunterte ihn max bill dazu, weiterhin künstlerisch tätig zu sein. helene nonné-schmidt brachte ihm eine abstrakte idee paul klees nahe, die seine kunst nachhaltig beeinflussen sollte: der punkt, in dem sich zwei linien treffen, ist ein energiepunkt, der die kraft der beiden linien in sich trägt.4 der punkt hatte für klee in seiner am bauhaus entwickelten „bildnerischen gestaltungslehre“ eine besondere bedeutung: „nur eines ist gestalterisch nicht möglich, die beschränkung auf den punkt.[...] und doch liegt der punkt allem zu grunde und ist also urelement für die gestaltung.“5 demzufolge definiert klee die linie konseqünt als eine reihe von punkten. das gemälde „konvexe hälften“ aus dem jahr 1967 (sammlung kunst + design ingolstadt, abb. seite 7) veranschaulicht eindrucksvoll, wie der punkt ein gestaltungsmittel almir mavigniers geworden ist, das er auch für plakate einsetzt. es handelt sich dabei um keinen figurativen pointillismus. die sich nur scheinbar bildenden geometrischen formen wie quadrat oder dreieck, werden gerade durch die rasterung wieder aufgelöst und „deformiert“. der einzelne punkt ist konkret, indem in ihm „der materiale inhalt der punkt selbst“ ist.6 im unterschied etwa zu otl aicher ist es für mavigniers grafik entscheidend, dass er maler ist: “wenn ich nicht maler wäre“, so mavignier in einem interview aus dem jahre 1996, „hätte ich wahrscheinlich ganz andere plakate gemacht.“7 wo aicher in der regel von der fläche ausging, versucht mavignier häufig, die ambivalenz von räumlichkeit und flächigkeit, die seine gemälde auszeichnet, auch in seinen plakaten zu verwirklichen. der ulmer museumsleiter herbert pée bescheinigte den plakaten mavigniers eine „eklatante optische wirksamkeit.“8 diese erreicht mavignier jedoch nicht durch plakative verwendung von farben oder aufsehenerregenden motiven. ganz in ulmer tradition bestechen seine plakate durch eine ausgewogene verwendung gestalterischer mittel, die alles überflüssige eliminiert. diese beschränkung auf das notwendige verbindet sich mit einer ungemein präzisen ausführung. die wahl des papiers, die bewusste verwendung von matten und glänzenden partien machen sie zu begehrten sammlerobjekten. ist jedes plakat für sich aber bereits ein „kunstwerk“, so stellt sich die frage, ob es solchermaßen überhaupt den anforderungen eines massenmediums, eines werbemediums genügt? häufig ist gerade die schrift, als ein wichtiger faktor der informationsvermittlung, nur schwer zu lesen. dennoch: der hohe reduktionsgrad und die ausgewogene verwendung von schrift, farbe und grafik verleihen den plakaten einen großen wiedererkennungswert. über den ersten flüchtigen blick hinaus fordern sie den betrachter auf, genaür hinzusehen, genauer wahrzunehmen. nicht allein durch den text, sondern vielmehr mittels der gestaltung wird eine botschaft transportiert, jene „ästhetische information“, die mavignier als das wesentliche verbindende element zwischen kunst und design sieht.9 es ist auffallend, dass ein überwiegender teil der plakate mavigniers für museen und ausstellungen entworfen worden ist. man mag dort den strengen gestalterischen prämissen mavigniers mit einem gewissen verständnis begegnet sein. sicherlich wird es ihn aber auch gereizt haben, sich mit einem künstlerischen thema, etwa einer ausstellung oder gar mit einem ja bereits gestalteten kunstwerk, auseinander zu setzen. eigentlich untypisch für einen vertreter der konkreten kunst, resultieren aus dieser auseinandersetzung partiell gegenständliche plakate, etwa jenes für die hamburger kunsthalle, das einen ausschnitt aus philipp otto runges „der morgen“ zeigt.10 mavignier wählt jedoch bewusst nur einen ausschnitt des vorbilds. die vollständige reproduktion eines gemäldes, wie sie häufig bei ausstellungsplakaten verwendet wird, empfindet er als kitsch.11 durch die wahl des ausschnitts greift er gestaltend ein. die plakate illustrieren nun nicht mehr die vorlage, sondern behaupten einen eigenständigen charakter: „das optische, pur gehandhabt und doch ganz bei der sache, hat den vorrang vor allem illustrativen, das plakathafte löscht alles nur erzählende aus.“12 das cross-over zwischen kunst und angewandter kunst lässt sich auch an anderer stelle im werk mavigniers nachvollziehen. häufig hat er additive plakate entwickelt, bei denen die grenze zur kunst im öffentlichen raum verschwimmt. das plakat für die ingolstädter ausstellung stellt eine mögliche gestaltung für ein solches additives plakat dar (katalogumschlag). sowohl formale anordnung als auch schrift ermöglichen es, das plakat in vier positionen zu hängen bzw. zu kleben. auf einer größeren fläche sind daher mehrere interessante farb- und formvarianten denkbar. mavignier schafft so ein system, das unter beibehaltung einer gestalterischen konstante ein höchstmaß an varianten ermöglicht und erfüllt damit eine wichtige forderung der industriellen produktgestaltung im 20. jahrhundert: die massenproduktion hatte die notwendigkeit aufgezeigt, eine form zu finden, die sich beliebig reproduzieren ließ. es waren vor allem bauhaus und hfg, die diese idee in theorie und praxis weiterentwickelt haben. im bereich der kunst hatte claude monet mit seinen kathedralen- und seerosenbildern im 19. jahrhundert das prinzip der serie eingeführt, das ab den frühen 1960er jahren mit andy warhol zu einem grundlegenden gestalterischen mittel der pop art werden sollte. das der werbung entlehnte siebdruck-verfahren ermöglichte es warhol, basierend auf einer vorlage, mehrere, sich nur in der farbe unterscheidende bilder etwa von „marilyn“ oder „elvis“ zu schaffen. im unterschied dazu basieren die additiven plakat mavigniers auf der wiederholung des immergleichen. indem das einzelne plakat dabei in einem neuen, größeren gebilde aufgeht, wird es verfremdet und erfüllt solchermaßen eine voraussetzung des kunstwerks. auch wenn die bildwelten kaum unterschiedlicher sein können, stellen sowohl warhol als auch mavignier die trennung zwischen kunst und werbung infrage. mit warhol verbindet mavignier zudem das ziel, die individülle künstlerhandschrift zu eliminieren. so vermeidet mavignier in seinen gemälden jeden gestischen pinselduktus. er trägt jeden punkt in einem beinahe mechanischen prozess auf die leinwand auf. ziel ist, wie zumeist in der konkreten kunst, eine objektivierung des konkreten inhalts, der „ästhetischen information“. mavignier steht diesbezüglich etwa der gruppe zero nahe, der er nach seinem studium zeitweilig angehörte. so konstatierte günther ücker als eines ihrer mitglieder: „die mechanik als gestaltungsmittel bietet uns großartige möglichkeiten, ästhetische informationen zu realisieren.“13 die vorstellung vom authentischen kunstwerk als unikat geht hierbei allerdings verloren. mavignier nimmt dies in kauf, da er den informationsgehalt höher schätzt. seine serigrafien sieht er als dokumentation seiner malerei. unterliegt das ölbild der gefahr, zerstört zu werden oder verloren zu gehen, so bewahrt die auflage „die information vor zerstörung und vernichtung. sie verbreitet die information ganz anders als das unikat, sie multipliziert.“14 der verbreitung von information dient auch das plakat. mit dem verlust der authentizität geht die einlösung einer wichtigen forderung der kunst des 20. jahrhunderts einher, ihre demokratisierung: kunst für alle! gerade das plakat markiert dabei die schnittstelle von kunst und design. bereits henri toulouse-lautrec hatte im ausgehenden 19. jahrhundert die kunst durch das plakat in den öffentlichen raum eingeführt. darf ein heutiger plakatentwerfer wie almir mavignier aber noch mit dem großen franzosen verglichen werden? sicherlich, die plakatgestaltung hat sich seitdem gewandelt. nach wie vor geht es jedoch um informationsvermittlung und darum, den betrachter durch das nichteinlösen von erwartungen, durch überraschung, in den bann zu ziehen. dies gelingt dem brasilianer immer wieder. und was den unterschied zu toulouse-lautrec anbelangt: auch der würde, so stellt almir mavignier überzeugend fest, „heute anders entwerfen.“15 1 siehe interview mit almir mavignier, S. 151. 2 siehe francisco homem de melo, almir mavignier – five decades of rusters, in i are design 16 (oct./nov. 2000). 3 siehe interview mit almir mavignier, im katalog kunst im anschlag. plakate aus der sammlung des museums für angewandte kunst köln, köln 1996, S. 154 f. 4 vgl. interview mit almir mavignier, in: katalog kunst im anschlag. plakate aus der sammlung des museums für angewandte kunst köln, köln 1996, s. 156. 5 paul klees „bildnerischer gestaltungslehre“ am bauhaus, siehe susanne friedli, specielle ordnung, in: paul klee. die kunst des sichtbarmachens. materialien zu klees unterricht am bauhaus, hrsg. v. kunstmuseum bern/paul klee-stiftung und seedamm kulturzentrum pfäffikon, bern 2000, s. 69. 6 max bense, mavignier von hegel aus, in: katalog almir mavignier, kestner gesellschaft hannover, 1968, s. 7. 7 katalog kunst im anschlag. plakate aus der sammlung des museums für angewandte kunst köln, köln 1996, s. 157. 8 katalog kestner gesellschaft hannover, 1967, s. 54. 9 vgl. anm. 3. 10 siehe katalog museum für kunst und gewerbe hamburg, hrsg. v. axel von saldern, 1981, s. 30. 11 mavignier beruft sich hierbei auf einen ausspruch max benses: „jedes kunstwerk wird durch multiplikation zum kitsch“. vgl. interview mit almir mavignier, in: katalog kunst im anschlag. plakate aus der sammlung des museums für angewandte kunst köln, köln 1996, s. 153. 12 herbert pée, katalog kestner gesellschaft hannover, 1967, s. 54. 13 ausstellungs-katalog zero-raum, kunstmuseum düsseldorf, 1973, o. s., zitiert nach kat. almir mavignier. prinzip seriell, kunstmuseum düsseldorf, 1973, o. s. 14 katalog almir da silva mavignier. druckgrafik und plakate, hamburg 1978, o.s. 15 katalog almir da silva mavignier. druckgrafik und plakate, hamburg 1978, o. s. |