|
studio fkurt fried
|
(aus "Exposition Zero Vom Atelier in die Avantgardegalerie", Thekla Zell, VfmK Verlag für moderne Kunst, ISBN 978-3-903320-45-1
|
Das studio f: Wohnzimmergalerie, Experimentierbühne und KunstlaborKonzeption
Die Gründung des studio f war Kurt Frieds Antwort auf eine innerstädtische Kunst-am-Bau-Debatte und kam einer Protestaktikon gleich, mit der er sich vom provinziellen Grundtenor der Stadt, in erster Linie vom Ulmer Kunstverein, absetzen wollte. (...) Die Ausstellungen die in der Regel mittwochs, samstags und sonntags für jeweils zwei Stunden an den Nachmittagen besichtigt werden konnten, fanden in erster Linie im Wohnzimmer und im Empfangsbereich statt, wo mobile Stellwände für zusätzliche Hängefläche sorgten. Gelegentlich wurde auch der angrenzende Garten für die Präsentation von Skulpturen, Environments oder Aktionen hinzugezogen. (...) Durch die familiäre und unmuseale Atmosphäre setzte sich das studio f allein aufgrund der Art der Präsentation von den typischen Veranstaltungen der Museen und Galerien ab und förderte damit den intimen Austausch zwischen Galerist, Künstler und Publikum: "Studio f war in seinem modernen Haus, geradezu in seiner Wohnung, die Familie in der Galerie, die Künstler am Kaffeetisch - aber auch die Zeitung, Verlag und viel Internationalität Ulmer Prägung. Wie kaum mit einem anderen "Galeristen" (was für "misnomer" für K.F!) fühlten wir uns persönlich angesprochen, fühlten uns wie in einem neutralen [...]" Otto Piene, Gedenken und Gedanken an Kurt Fried, in Kat. Ulm 1991, 44-45 In erster Linie aber war das studio f, dem Fried mit seinen Initialen den Namen gab, aufs Engste mit der Person Kurt Fried verbunden. Seine vielfältigen kulturellen Interessen, die Begeisterung für bildende Kunst, Theater und Literatur gleichermaßen sowie seine Aufgeschlossenheit gegenüber Unbekanntem und Neuem schlugen sich wesentlich im offenen Programm des studio f nieder. |
Programm
Das studio f stellte weniger eine Abgrenzung als eine Ergänzung zum Kunstverein und dem Ulmer Museum dar und positionierte sich im Kontext der Stadt klar in der Rolle des avantgardistischen Vorreiters: „Ich stelle die Künstler in Ulm vor. Die erste Ausstellung eines Künstlers mache immer ich hier“, so Kurt Fried selbstbewusst. Vergleichbar äußerte sich der damalige Leiter des Ulmer Museums Herbert Pée: „Mit seinem progressiven Programm, das unbeirrt verfolgt wird und gottlob von niemandem behindert werden kann, ist das ‚studio f’ eines der lebendigsten geistigen Zentren in Ulm. Die Fragen, die es mit seinen Ausstellungen aufwirft, führten und führen geradewegs in die Zukunft. Das studio stellt bewusst die Avantgarde vor.“ Mit seiner gattungsübergreifenden Ausrichtung fungierte das studio f mitunter als Schnittstelle zwischen dem Ulmer Theater und der HfG, für die es einen kulturellen Treffpunkt und eine ergänzende Präsentationsfläche darstellte.’ Gerade Frieds Beziehungen zum Ulmer Theater mit dem Intendanten Ulrich Brecht und dem Dramaturgen Claus Bremer, seine engen Kontakte zur HfG - hier insbesondere zu Mavignier und Bill — und seine Freundschaft zu Herbert Pée vom Ulmer Museum wirkten sich auf die Aktivitäten und das Programm des studio f aus. Schon vor Gründung des studio f bestand eine enge Verbindung zwischen Fried als dem Vorsitzenden des Kunstvereins und Herbert Pee als Leiter des Ulmer Museums. Pée hatte bereits in den Nachkriegsjahren begonnen, im städtischen Museum eine stärkere Fokussierung in Richtung moderner und zeitgenössischer Kunst einzuschlagen. So zeigte das Museum beispielsweise 1956 eine umfassende Ausstellung zu Max Bill, die in Zusammenarbeit mit dem Kunstverein unter der Leitung von Fried zustande gekommen war. Im folgenden Jahr widmete das Ulmer Museum Almir Mavignier eine Einzelausstellung. Der wechselseitige Austausch zwischen Fried und Pée schlug sich auch Programm des studio f nieder, das nicht nur mit einer Einzelausstellung von Bill eröffnete, sondern im selben Jahr auch Arbeiten von Mavignier präsentierte. Pée war zudem als Eröffnungsredner und Besucher häufiger Gast im studio f, dem er 1968 in den Räumen des Ulmer Museums die 50. Ausstellung ausrichtete. |
Almir Mavignier - Zero’s Link zur Konkreten Kunst
Trotz des Anspruchs, alle Kunstrichtungen im studio f zu Wort kommen zu lassen, machte sich bereits in den ersten beiden Jahren eine Dominanz der zeitgenössischen Weiterentwicklungen der Konkreten Kunst in den unterschiedlichsten Facetten bemerkbar, die mit der von Max Bill 1960 in Zürich realisierten Überblicksausstellung Konkrete Kunst - 50 Jahre Entwicklung eine prominente Entsprechung auf musealer Ebene fand. Unter Konkreter Gestaltung verstand Bill: „jene Gestaltung, welche aus ihren eigenen Mitteln und Gesetzen entsteht, ohne diese aus äußeren Naturerscheinungen abzuleiten oder entlehnen zu müssen. Die optische Gestaltung beruht somit auf Farbe, Form, Raum, Licht und Bewegung.“ Max Bill, Ausstellungskatalog: Konkrete Kunst - 50 Jahre Entwicklung, 1960 Wie weit Bill den Begriff der Konkreten Kunst fasste, geht nicht nur aus seinen schriftlichen Äusserungen hervor, sondern spiegelte sich auch in der Züricher Ausstellung wider, die neben Vertretern der älteren Generation wie Josef Albers, Naum Gabo, Wassily Kandinsky, Paul Klee, Piet Mondrian und Wladyslaw Strzemiński auch zahlreiche jüngere Positionen umfasste, darunter Piero Dorazio, Heinz Mack , Almir Mavignier, François Morellet, Herbert Oehm, Bruno Munari, Otto Piene, Jesus Rafael Soto, Günther Uecker und die spanische Gruppe Equipe 57. Eine Schlüsselrolle zwischen der älteren und der jüngeren Generation spielte hierbei Mavignier, der - nach John Anthony Thwaites - Zeros „link to art concret” darstellte. Mavignier, ursprünglich aus Brasilien, war 1953 nach Ulm an die HfG gekommen, wo er bis 1958 Visuelle Kommunikation studierte und u. a. Kurse von Max Bill, Josef Albers, Johannes Itten, Walter Peterhans, Otl Aicher und Max Bense besuchte. Anschließend machte sich Mavignier in Ulm mit einem Grafikbüro selbstständig und entwarf unter anderem zahlreiche Ausstellungsplakate für das studio f wie auch für das Ulmer Museum, das ihm bereits 1957 eine Einzelausstellung gewidmet hatte. Mit Mavignier, dessen Bekanntschaft Fried 1958 gemacht hatte, wurde ihm nicht nur ein ausgebildeter Grafiker an die Seite gestellt, sondern auch ein überaus aktiver Netzwerker. Durch seine zahlreichen Reisen ins Ausland war Mavignier bestens über das internationale Kunstgeschehen informiert und fungierte vor allem in den Anfangsjahren des studio f als eine Art Talentscout für Fried. Dank Mavignier kamen zahlreiche internationale Vertreter der zeitgenössischen Avantgardeszene ins studio f, darunter auch Mack und Piene, mit denen er bereits an der 7. und 8. Abendausstellung wie auch in Dynamo 1 in Wiesbaden ausgestellt hatte. Mit der gemeinsamen Ausstellung von Mack und Piene im studio f (1960) wurden erstmals zwei Vertreter der aktiven rheinischen Szene in Ulm ausgestellt. Mavignier legte zudem die Weichen in Richtung Süden und stellte zahlreiche Kontakte zu Künstlern der italienischen Avantgarde her, die sowohl mit Zero in Verbindung standen als auch Eingang ins studio f fanden. Durch seine Beteiligung an der 1959 von Klaus Jürgen-Fischer in Mailand konzipierten Ausstellung Stringenz. Nuove tendenze tedesche hatte Mavignier die Künstler Enrico Castellani, Piero Manzoni, Antonio Calderara und die späteren Mitglieder der Gruppo N kennengelernt. Sowohl Calderara wie auch die Gruppo N erhielten in der Folge Ausstellungen im studio f – für beide die ersten Auftritte in Deutschland überhaupt. 1964 folgte die Gruppo T aus Padua. Mit der von Mavignier 1961 in Zagreb konzipierten Ausstellung Nove tendencije trat er schließlich selbst als Kurator hervor. |
Die Ausstellung umfasste zahlreiche Vertreter der internationalen Avantgarde und deckte sich in großen Teilen auch mit dem Zero-Netzwerk von Mack und Piene. Als Gegenleistung vermittelte Mavignier eine Ausstellung jugoslawischer Künstler ins studio f. Im Laufe der Zeit entwickelte sich das studio f so zur wichtigsten Anlaufstelle der Avantgarde in Süddeutschland, das einen bedeutenden Knotenpunkt bildete und das Rheinland mit dem südlichen Raum — der Schweiz, Österreich, Italien und Jugoslawien – verband. Dabei präsentierte das studio f gerade auch jene sich neu formierenden Gruppierungen wie die Gruppo T aus Mailand oder die Gruppo N aus Padua, die nach Piene in einer Art „Hass-Liebe“ parallel zu Zero agierten.
Mit Francois Morellet, der 1961 seine erste deutsche Einzelausstellung ebenfalls dank seiner Bekanntschaft mit Mavignier im studio f erhielt, zeigte Fried einen wichtigen Vertreter der Pariser Gruppe GRAV (Groupe de recherche d’art visuel), zu der Zero ebenfalls Kontakte pflegte. Auf der anderen Seite unterstützte Fried Mavignier, indem er ihn regelmäßig im studio f präsentierte. So erhielt Mavignier bereits im ersten Ausstellungsjahr eine Einzelausstellung, die sich mit rund 450 Besuchern zur bis dahin erfolgreichsten studio f Schau entwickelte. Die Eröffnungsansprache übernahm Max Bill, der ihn - so Margit Staber in der Schwäbischen Donauzeitung — „zu den wenigen jungen Malern zähle, die den bisherigen Methoden der konkreten Kunst etwas Neues hinzugefügt haben“. Weitere Ausstellungen folgten 1962, 1966 und 1970. Gelegentlich griff Fried Mavignier auch finanziell unter die Arme, wie beispielsweise anlässlich dessen Reise nach Ägypten und Griechenland. Auch für Mack und Piene fungierte Fried als wichtige Ansprechperson bezüglich Mavignier. So wandte sich Mack im Sommer 1960 direkt an Fried, um noch eine Beteiligung Mavigniers an Zero 3 erreichen zu können, die dieser zunächst (...) abgesagt hatte: „Vielleicht ist es auch nicht so schlimm gemeint gewesen; dann muss er [Mavignier] bei ‚Zero‘ beteiligt sein, weil es uns allen eine wunderbare Gelegenheit ist, Farbe zu bekennen, d.i. zu einer neuen Projektion unser Bestes zu geben, damit sie auch vital und optimistisch erscheint, als visuelles Ereignis (das ist Zero III), frei von Polemik, Theorie, Eitelkeit u. Was weiß ich. Sie kennen Almir u. sind ihm an nächsten und benachbart; gucken Sie mal nach – vielleicht genügt nur ein unmittelbarer Anstoß (sensibel aber energisch vorgehen) u. Almir ist bei ‚Zero‘ Vol. 3 nicht verloren. Wir möchten einfach gerne, dass er uns seine besten Reproduktionen schickt, wir brauchen sie.“ Heinz Mack an Kurt Fried 22.7.1960 |
Ein Jahr später erschienen zwei Reproduktionen von Mavigniers Arbeiten in Zero 3 wie auch eine fotografische Detailaufnahme einer Pyramidenwand im Vorspann der Zeitschrift, die Mavignier auf seiner Ägyptenreise angefertigt hatte.
Text aus Thekla Zell: "Exposition Zero Vom Atelier in die Avantgardegalerie", VfmK Verlag für moderne Kunst, ISBN 978-3-903320-45-1
|