|
permutationen48 farbprogressionen in 3 serien à 16 Blätter im format: 40x29.5cm
Die Serien sind als Kasten-Box Set erhältlich im Nachlass Atelier Almir Mavignier |
1961 produktion der grafischen serie permutationen (und im gleichen jahr organisation und kuratorie der ausstellungsreihe neue tendenzen)
1962 erste ausstellung, studio f, ulm 1962 brasilianisches konsulat, münchen 1963 museo de arte moderna, rio de janeiro und fundação alvaro penteado, são paulo 1964 serie vertical ausstellung in der XXXII biennale venedig (brasilianischer pavillion) 1968 documenta 4, kassel 1986 biennale venice - kunst und wissenschaft |
Brigitte Zehmisch aus Katalog zur Ausstellung "serielle farbprogressionen", Kunstgewerbemuseum Zürich, 1975
die 'permutationen’ oder die ausschaltung des künstlers als methodedie 'permutationen’ entstanden 1961. ebenso wie die künstler-produzenten der edition mat (multiplication d’art transformable, 1959) wollte mavignier kunst herstellen, die einen möglichst hohen grad an objektivität besaß. es sollten werke sein, aus denen alles handschriftliche getilgt und jede individuelle, künstlerische unverwechselbarkeit verbannt war.
reagierten in den dreißiger jahren konkrete künstler, wie moholy-nagy, auf die ausdrucksgebärden des expressionismus mit vorschlägen für die industrielle herstellung ihrer bilder oder mit der erfindung von maschinen, die kunst erzeugen (bruno munari, 1938), so war zu beginn der sechziger jahre die absicht, entindividualisierte bilder herzustellen, keineswegs nur auf konkrete künstler beschränkt. andy warhol beispielsweise wünschte, eine maschine zu sein, um wie eine maschine arbeiten zu können. zwar äußerte sich der wunsch nach distanz und uniformität bei warhol in einer anderen bildwelt, jedoch ist dieser — wie die realisierung des objektiven kunstwerkes mit geometrisch-abstrakten mitteln — als eine alternative zu den heftigen ausdrucksgebärden der tachisten zu verstehen. der auffassung, die leinwand sei ein aktionsfeld, auf der sich die eruptionen des genialen künstlers niederschlagen, stellten die künstler der nachfolgenden generation die meinung entgegen, nicht die ausführung, sondern die idee müsse am höchsten bewertet werden, ein gedanke, der in letzter konsequenz zur concept art und ihrer modellhaften ideenvermittlung führt. die realisierung kann teilweise oder ganz der maschine übertragen werden. ein janusköpfiges unterfangen, weil die maschine nun ihrerseits einen beitrag zum werk leistet, der unter umständen das ergebnis von den intentionen und vorstellungen des künstlers weit entfernt. mavignier machte diese erfahrung, als seine "permutationen’ aus der druckmaschine kamen. um mit minimalem aufwand und minimalen mitteln eine möglichst große wirkung und variation zu erzielen, wiederholte er den farbablauf in drei reihen. diese kreative entscheidung traf der künstler bei der wahl der farben (schema b). erst als die drucke die maschine verließen, sah er alle 48 kombinationen zum ersten mal. obwohl er subjektiv große einwände hatte, wurde keine der kombinationen korrigiert oder entfernt. heute, nach 13 jahren, urteilen künstler und betrachter anders über farbkombinationen, die seinerzeit als fremd und ungewöhnlich abgelehnt wurden. mit unseren sehgewohnheiten hat sich unser urteil verändert. es ist die erfahrung des künstlers, daß die maschine nicht nur distanz zwischen autor und werk, sondern auch ein werk geschaffen hat, das frei ist von persönlichen stimmungen und unbewußten visuellen einflüssen. deshalb befindet mavignier auch heute ohne unterschied alle drucke für richtig. josef albers folgerte aus farb-quantitätsübungen, ’daß — unabhängig von harmonieregeln — jede farbe mit jeder anderen farbe «geht», vorausgesetzt, daß die quantitäten stimmen’ (josef albers, interaction of color, köln 1970, s. 77). die ’permutationen’ mavigniers bestätigen diese feststellung. bei den 48 'permutationen’ handelt es sich mathematisch um kombinationen. je eine von vier hintergrundfarben und je eine der vier dreiergruppen von vordergrundfarben ergibt 4X4 = 16 mögliche paare, diese, angewendet auf die drei grafischen strukturen, dann 4X4X3 = 48 kombinationen. eigentliche permutationen im mathematischen sinn enthalten jedes element genau einmal. würde man zum beispiel die 16 kombinationen einer grafischen struktur nach folgendem schema ordnen, dann ist jede waagrechte zeile oder senkrechte spalte eine permutation, denn jede solche zeile oder spalte enthält jede hintergrundfarbe und jede dreiergruppe von vordergrundfarben einmal. |
schema a
schema b
thematisch behandelt mavignier in den 'permutationen’ die relationen zwischen vorder- und hintergrund, ausgedrückt im wechsel der farbkombinationen in drei reihen. der vordergrund befindet sich immer auf der ebene des rasters, dieser erscheint in den drei reihen
1. als rahmen um ein kleineres quadrat in der farbe des hintergrundes, 2. in drei horizontalen streifen, den hintergrund überdeckend, und 3. als doppeltes quadrat, das ein rechteck ergibt und den hintergrund an beiden seiten frei läßt. sieht man die drei reihen nebeneinander, so wird deutlich, daß die unterschiedlichen rasterformen und die unterschiedlichen farbmengen der hintergrundfarbe die wirkung der farben verändern. durch wiederholung derselben form auf 16 blättern mit verschiedenen farbkombinationen nimmt der betrachter die variationsmöglichkeiten in der wirkung der farben deutlich wahr. die intention mavigniers deckt sich hier durchaus mit jener, die sein lehrer josef albers in der serie mit den ’violinenschlüsseln’ verfolgte (1932—35), nämlich, die form durch die wiederholung zu entwerten und die farbe durch die variation hervorzuheben. ’die präsentation von vergleichbarkeiten auf der basis der variabilität ist als eine methode, die das aktive sehen des betrachters herausfordert, jener anderen kunstauffassung vorgezogen, die einen spezifischen inhalt zu übermitteln für möglich hält’ (jürgen wissmann, josef albers, 1971, s 26). die 'permutationen’ bestätigen die farbenlehre von josef albers, sind ein exempel für deren anwendbarkeit. so stützen sie beispielsweise albers’ beobachtungen über den relativen wert der farben. auch außerhalb der geometrisch-abstrakten kunst wurde in den sechziger jahren das problem der farbwirkung und -beeinflussung behandelt. man erinnert sich an warhols 'flowers’, eine banale fotografie, die als träger verschiedener farben diente, man denkt an seine ’superstars’, die er farbwechseln aussetzte, um alles emotionale zu entfernen; man denkt auch an dieter rots städtebilder, die, häufigen farbwechseln unterworfen, ihre identität, sogar jene des postkartenklischees, verlieren. ein entgegengesetzter prozeß liegt bei mavignier vor, durch den farbwechsel wird die anonyme rasterform in jeder variation unverwechselbar geprägt. brigitte zehmisch, text katalog zur ausstellung "serielle farbprogressionen", kunstgewerbemuseum zürich, 1975 |
Almir Mavignier über Permutation, anlässlich ihrer ersten Ausstellung im studio f, 1962
48 serigrafienrelation figur-hintergrund
figur wird statt komposition struktur genannt unter struktur wird verstanden, die organisation einer bestimmten strukturart aus kleinen elementen in kreisformat, die als punkte wirken drei strukturen, vier verschiedene hintergrundfarben die erste struktur im quadratformat die zweite zeigt ihre punkte in optisch-plastischer wirkung die dritte struktur konzentriert die punkte symmetrisch nach oben und unten jede struktur formt eine sequenz von 16 blättern drei sequenzen ergeben eine serie mit 48 blättern in jeder sequenz bleibt die struktur unverändert jede struktur hat 12 farben + 4 hintergrundfarben jede sequenz hat somit 16 farben diese farben bleiben für die ganze serie dieselben die farbengleichheit verbindet die drei verschiedenen strukturen zu einer einheit und vergrößert damit die vergleichsmöglichkeiten der optischen phänomene, die produziert werden sollen farbkombinationen:
farbstruktur wird konstellation genannt
4 konstellationen es wird ein permutationssystem programmiert, wodurch jede konstellation von ihrer bestimmten hintergrundfarbe auf die drei anderen hintergrundfarben wechselt zu erforschen war: die verwandlung einer struktur durch die veränderung ihrer farbumgebung die verwandschaft drei verschiederner strukturen durch gleiche farbenbehandlung die auseinandersetzung zwischen zwei systemen: variation und permutation. die variation, die sich verliert in der unendlichkeit und die permutation, die dagegen begrenzt für ein solches ziel wurden drei geeignete strukturen gewählt, deren beziehung zu ihrem hintergrund folgende situationen präsentieren: bei der ersten struktur: hintergrund quadrat. er tritt heraus durch ein quadrat in der mitte. seine stärke wird durch die geschlossene umgebung konstant beeinflußt bei der zweiten struktur: hintergrund rechteckig. querformat. er ist vollkommen besetzt und tritt nur durch die punktraster heraus. seine farbstärke ist konträr zu der punktprogression bei der dritten struktur: hintergrund gleich rechteckig. hochformat. er tritt symmetrisch an beiden seiten heraus. seine aktion ist entscheidend an der gesamtwirkung dieser struktur |
die farben
hintergrund: komplementärfarben-charakter rot grün schwarz weiß für das weiße papier wurde anstelle der weißen hintergrundfarbe ein dunklerer grünton gewählt (frei gefunden) konstellationen: farbflimmern-charakter durch gleiche helligkeit der farben a) komplementär-situation: punkte blau, grün auf rot punkte orange, rot auf grün b) mischung mit der hintergrundfarbe: punkte blau, gelb, rot mit schwarz gemischt auf schwarzem hintergrund und punkte rot, blau mit weiß gemischt und weiße punkte auf weißgrünem hintergrund (...) die permutationen diesen vorgang kontrolliert der autor nur durch die bestimmung eines permutationssystemes, aber jedes resultat dieser permutation war ihm völlig unbekannt, ob gut oder schlecht, "schön" oder "nicht schön". er muß nur für eine präzise durchführung des arbeitsprozesses sorgen, ohne störung durch irgendeine neue entscheidung er ist einfach nicht mehr autor! inwieweit er seinen direktbeitrag vermindern kann, ist ein problem, um weiter zu forschen. das kunstprojekt bleibt somit "befreit". dadurch widersetzt es sich der auffassung von der freiheit in der kunstproduktion, wonach das produkt allein durch die "subjektiv-intuitive" entscheidung eines künstlers entstehen muß. tatsache ist, daß ein kunstgegenstand immer kontrolliert ist: idee + wahrnehmung konkret oder tachist die differente problematik in der entwicklung der künstlerischen konzeption überzeugt von einer immer progressiveren tendenz, das kunstprodukt anonym zu machen: die entdeckung der abstrakten malerei, die schaffung geometrischer gegenstände, die beherrschung dieses geometrischen spiels durch eine thema-idee und ihre konkretisation in farbe und form, die tendenz zu monochrom, zu einer raster-malerei, die schaffung geometrischer gegenstände und ihre visuelle wirkung in aluminium, plexiglas, plastikfolien, etc., die nicht mehr als bild oder plastik bezeichnet werden können. das bewußtsein des visuellen, des optischen, des wahrnehmbaren das ergebnis dieser programmierung ist (...) gelungen und zwar durch das verblüffende und faszinierende resultat, das mir vollkommen unbekannt war und unbekannt hätte bleiben können, außerdem der beweis einer neuen kontrollmöglichkeit durch die entfernung des kunstproduktes vom künstler selbst, von chaotischen einflüssen, wie geschmack, tradition, mode, kunsthandel, prestige etc., sowie von allen schädlichen zufällen, die während der arbeit passieren können. almir mavignier (1962) die serie ist zum erstenmal im studio f bei kurt fried vollständig ausgestellt im oktober 1961 entstanden auflage der serie 50 stück siebdruckerei alfons miller, ulm für die textüberarbetung meinen besten dank an sigrid quarch |
„48 PERMUTAÇÕES“serigrafias
impressas em ulm (alemanha) em 1961 expostas: 1962 „studio f“ ulm 1964 (serie vertical) na XXXII biennale internazionale d’arte venezia (pavilhão do brasil) 1968 „documenta 4“ 1986 biennale d’arte venezia - „arte e sciencia“ arte programada permutar = trocar programa = jogo de trocas trocas entre figura e fundo figura = estrutura de círculos 3 series: quadrada, vertikal e horizontal. cada série: 16 exemplares quadrada - o fundo surge no centro vertikal - o fundo surge à esquerda e à direita da estutura horizontal - o fundo é completamente ocupado pela estrutura cores e composição nas serigrafias 1, 2, 3 e 4 - é o artista que decide cores e composição, nas 12 serigrafias que seguem é o programa que determina as cores o programa afasta o artista de sua obra antecedendo a arte pelo computador almir mavignier (2015, hamburgo) |