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malerei |
rio de janeiro 1925-1951 |
konkrete malerei |
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libertação da pintura naturalista
porque comecou com pintura concreta |
paris 1951-53 |
ulmer zeit |
„wenn eine linie auf eine andere linie stößt, trifft sie einen punkt. dieser punkt ist ein energiepunkt. er enthält die kraft einer linie gegen die andere linie.“ obwohl kunst im unterrichtprogramm nicht eingeschlossen war, hat das wirken führender dozenten als künstler dazu beigetragen, dass künstlerische praxis nicht nur begünstigt, sondern sogar gefördert wurde.
vor allem die seminare über die informationstheorie waren für neue konzepte und bildprojekte besonders anregend. wie maßgebend und entscheidend diese umgebung sich auf meine arbeit ausgewirkt hat, ist durch die in ulm angeeignete überzeugung zu erkennen, dass ideen entsprechender darstellung bedürfen und dafür soll man folgerichtig und nicht formalistisch entscheiden. demgemäß ist die darstellungspräzision in der malerei nicht nur optisch zu lösen, sondern auch in inhaltlicher übereinstimmung zu treffen. almir mavignier |
bildstrukturen
punkte erschienen in meinen bildern zunächst, um farbverläufe in der malerei zu erzielen — durch rein optische farbmischung und nicht mehr durch pigmentmischung. eine progressive punktkonzentration hat mir das problem des farbverlaufs neu gelöst. zugleich aber hat die entstandene punktstruktur ein neues verhältnis von farbe und licht ergeben, und zwar durch die relief-art dieser struktur. dieses relief wird noch deutlicher bei der fortentwicklung meiner malerei, in der die punkte grösser und selbst zu objekte werden sind. die dreidimensionale beschaffenheit jedes punktes gibt der ganzen struktur eine licht- und eine schattenseite. aus diesem licht-spiel entsteht eine optische mischung von farbe, licht und schatten, deren wirkung sich verändert, wenn das einfallende licht seine richtung oder intensität wechselt. dieses farbe-licht-verhältnis unterscheidet sich von dem der flachmalerei, bei der das licht seine wirkung nur in helligkeitswerten der farberscheinung entfalten kann. almir mavignier aus ausstellungskatalog "almir mavignier", galerie denise rené hans mayer, 1973 |
wichtige themen in der malerei
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sobre quadrados deformados
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brigitte zehmisch
katalog "serielle farbprogressionen" kunstgewerbemuseum zürich, 1975 inversion — die räumliche suggestion
inversion — die räumliche suggestion
mavignier verfolgt mit bildern, grafiken und objekten die absicht, den betrachter zu faszinieren. faszination, das heißt, augen und sinne des betrachters gleichermaßen zu überraschen, zu fesseln und zu aktivieren; sie gilt ihm als maßstab der künstlerischen leistung schlechthin. mavignier vertritt diese absicht nicht allein. die künstler der düsseldorfer zero gruppe strebten ebenso nach faszination wie die groupe recherche d’art visuel, die paduaner gruppo n und andere. für sie alle eröffneten die arbeiten von josef albers und das durch ihn geschärfte bewußtsein von der relativität der wahrnehmung ein weites experimentierfeld. entscheidende bedeutung mißt mavignier dabei der optischen sensation zu, die eben jene faszination auslöst. seine intention richtet sich ganz auf die perzeption durch den betrachter. wie sein lehrer aibers bewertet er den sehvorgang und die reflektion darüber als eigenständige, schöpferische leistung, die der betrachter erbringt. albers machte auf die relativität der wahrnehmung und des sehvorganges durch mehrdeutige raum-flächen-beziehungen aufmerksam. mavigniers arbeiten aus seiner sogenannten op art periode in den sechziger jahren üben die von ihm angestrebte faszination durch eine starke räumliche suggestion aus, vergleichbar gewissen bildern vasarelys, welche durch binnenflächen- oder linienverzerrungen dreidimensional wirken. mavignier arbeitet nicht mit den mitteln der kinetischen kunst, seine bilder bleiben statisch und werden als dynamisch räumliche erscheinungen erfaßt. er nutzt viele möglichkeiten, die raster so auf der statischen bildfläche zu plazieren, daß sie immer wechselnde flächenaufteilungen bilden und räumlich wahrgenommen werden (vgl. formaddition). die beiden wichtigsten themen, die mavignier auf diese weise in grafik und malerei behandelt, heißen ’vorn und hinten’ und ’konvex-konkav’. sie entstanden in der absicht, eine starke räumliche illusion zu suggerieren, die an einen dynamischen bewegungsverlauf gebunden ist. pulsierende schwingungen des rasters erzeugen diese kontinuierliche bewegung. lucio fontanas 'manifiesto bianco’ (1962) erinnert uns daran, daß die künstler sich zu beginn der sechziger jahre von einer darstellung der bewegung eine neue, intensivierte beziehung des betrachters zum bild versprachen. 'der mensch wird immer gefühlloser, erstarrten bildern gegenüber, die keinen sinn für vitalität verraten. die unbeweglichen bilder von früher befriedigen nicht mehr die wünsche des neuen menschen, der geformt wird vom aktionsdrang und vom zusammenleben mit der mechanik. die ästhetik organischer bewegung ersetzt die ästhetische kraftlosigkeit erstarrter form.’ in mavigniers bildern dynamisieren gegeneinander versetzte schwingungen die fläche und rufen den eindruck einer konvexen oder konkaven schichtung hervor (kat.-nr.31—39, 61, 64). kompositionen mit dem thema ’vorn und hinten’ (kat.-nr. 38, 62) bestehen aus horizontalen streifen, deren schwingung wechselnd am rechten oder linken bildrand kulminiert. die rasterstreifen treten allmählich aus dem dunklen hintergrund hervor. ihre räumliche erscheinung ist eng an die rasterdichte und die zu- bzw. abnehmende farbintensität in den einzelnen streifen gebunden und darüber hinaus, an die langsam verblassende leuchtkraft der farben in den streifen von unten nach oben. rasterung und abnehmende farbintensität stimulieren unser träges auge zu räumlicher wahrnehmung, zu irritierenden, räumlichen umkehrtäuschungen, sogenannten inversionen. will mavignier mit solchen bildern den betrachter über die besonderheiten des sehvorganges belehren? vielleicht kann man ihm und allen künstlern, die ähnliche optische effekte nutzen, diesen vorwurf machen; man vergesse dabei aber nicht, daß diese bilder vor allem einen hinweis auf die relativität des sehvorganges enthalten und, darüber hinaus, etwas über die relativität jeder rationalen wahrnehmung aussagen. brigitte zehmisch, katalog ausstellung "serielle farbprogressionen", kunstgewerbemuseum zürich, 1975 deformation – geometrischer formen
deformation
mavignier behandelt vereinzelt und undoktrinär das generalthnema der sogenannten op art, nämlich die deformation geometrischer formen. bridget riley bewerkstelligt deformation und auflösung in der perzeption geometrischer formen durch flimmereffekte und illusionistische verzerrungen. mavignier deformiert ring oder quadrat durch die rasterung der fläche. so stört die rasterung in 'deformierter ring’ (kat.-nr. 10) den exakten verlauf der inneren und äußeren umfangslinie der scheibe. bilder mit dem titel 'gestörtes quadrat’ (kat.nr. 16) bilden einen teilweise kurvig geschwungenen linienverlauf ab. die unterschiedlich großen kreise des rasters sind vertikal gegeneinander verschoben, was eine horizontal schwingende bewegung erzeugt. die dargestellte linie befindet sich so in ständiger vibration und kann deshalb nur flächig und nicht linear erfaßt werden. strenggenommen handelt es sich nicht um ein quadrat, das deformiert wird; trotz deformation müßte es dann einen geschlossenen umriß behalten. brigitte zehmisch, katalog ausstellung "serielle farbprogressionen", kunstgewerbemuseum zürich, 1975 formaddition
formaddition
zuweilen gewinnt mavignier seine bildkompositionen aus addition selbständiger formen. auf diese weise erhält er ungewöhnliche flächenaufteilungen. in dem bild 'konvexe hälften' (kat. kestner gesellschaft 1968, abb. 36) werden sieben achtel des quadratischen formates von einem raster ausgefüllt. formal geht er von zwei unabhängigen kompositionen aus, die sich hier teilweise überdecken: einem waagrecht gehälfteten bild, dessen auf- und abschwingen der raster sich in der unteren bildhälfte befindet (kat.-nr. 41), und einem bild, das diagonal gehälftet mit einem raster im rechten oberen dreieck gefüllt ist (komposition 'konvexe diagonale hälfte‘ 1967, katalog kestner gesellschaft, hannover, 1968, s. 33). die herkunft erklärt, warum die schwingungsdynamik des rasters verschieden ist. in der unteren bildhälfte kulminiert sie in der vertikalen mittelachse des horizontalen streifens und in der oberen kulminiert sie in der diagonalen mittelachse des dreiecks. außerdem erhalten in der addition die in beiden vorgängern richtungsfreien vibrationen eine zentrifugale richtung von einem rechts unten zu denkenden ursprung aus. brigitte zehmisch, katalog ausstellung "serielle farbprogressionen", kunstgewerbemuseum zürich, 1975 durchdringungen
durchdringungen
wiederum entwickelt mavignier ein in dem axialsymmetrischen, flächenparallelen quadratformat. hier durchdringen sich häufig zwei, seltener drei oder vier quadratische raster, die um je eine zeile und spalte gegeneinander verschoben sind (kat.-nr. 40—48). wenn die kreisflächen, bzw. farbkegel der sich durchdringenden raster verschieden groß sind, liest der betrachter den vorgang mühelos, sind sie gleich groß, so entstehen außerordentlich komplexe und schwer lesbare farb- und formstrukturen. in der regel wählt mavignier für seine durchdringungen farben gleicher helligkeitswerte. auf diese weise gelingt es ihm, das ganze farbbild in eine heftige, das auge attackierende vibration zu versetzen. diese vibration, von otto piene einmal als 'puls des lichtes’ bezeichnet (katalog, 2. biennale nürnberg 1971, s. 247), verstärkt die empfindlichkeit des menschlichen auges für farbnuancen und helligkeitsstufen. brigitte zehmisch, katalog ausstellung "serielle farbprogressionen", kunstgewerbemuseum zürich, 1975 SABOTAGE DER LOGIK
brigitte zehmisch
sabotage der logik max bill bezeichnete 1936 jene bilder als konkret, die ‘ohne äußerliche anlehnung an naturerscheinungen … entstanden sind... ihre gestaltungsmittel sind die farben, der raum, das licht und die bewegung. durch die formung dieser elemente entstehen neue realitäten’ (konkrete gestaltung, kunsthaus zürich 1936). wenn man unter konkreter kunst mit bill eine noch nicht abge-schlossene richtung versteht, deren möglichkeiten festgelegt und deren grenzen gezogen sind, dann gehört almir mavignier heute wie 1960 zur konkreten kunst (max bill, konkrete kunst, helmhaus 1960, s. 7). den anstoß zu geometrisch abstrakter gestaltung erhielt mavignier von der konkreten malerei. er sah 1950 eine einzelausstellung max bills in sao paulo und suchte ihn und andere konkrete maler zwei jahre später in zürich auf. die hier empfangenen eindrücke und anregungen verarbeitete er in konkreten bildern (kat.-nr. 2). bald darauf begann jedoch die beschäftigung mit einem thema, das leitmotivisch sein ganzes späteres werk durchzieht, jenes der farb- und formgrenze. max bill beschäftigte sich 1947 mit dem gleichen thema in 'unbegrenzt und begrenzt’ (katalog max bill, kunsthaus zürich 1968/69, s. 33). bill definiert die grenze als präzisen linienverlauf, Dei mavignier existiert die grenze nur in der vorstellung. in imaginären halbkreisflächen oder quadraten verteilt er willkürlich eine bestimmte anzahl farbiger elemente. sie dürfen die grenze jener imaginären geometrischen form weder überschreiten, noch berühren. der betrachter erfaßt eine anhäufung gleichförmiger elemente (kat.-nr. 6, 9), nicht aber das geometrische ordnungsprinzip. eines dieser bilder heißt 'unpräzise konstruktion’ (kat.-nr. 4). in bezug auf das verhältnis mavigniers zur konkreten kunst kann dieser titel programmatisch verstanden werden. durch die negation der grenze wird ein rationales ordnungsprinzip ins irrationale gewendet und die sichtbare präzision und ihre berechtigung in frage gestellt. mit der gleichen unbekümmertheit um präzision 'deformiert’ er geometrische formen, antwortet er auf albers’ huldigung an das quadrat mit seiner deformation. etwas widerborstiges und zugleich spielerisches mag ihn dazu bewegen, ästhetische gesetzmäßigkeiten zu stören und im gesetzten ablauf eines bildes einen widerspruch zu verstecken. mavignier plädiert — und dies kommt in seinen toleranten urteilen über malerkollegen wie inseinen eigenen bildern zum ausdruck — für ein gewisses maß an freiheit im strengen ordnungsgefüge der abstrakt geometrischen malerei. brigitte zehmisch, katalog ausstellung "serielle farbprogressionen", kunstgewerbemuseum zürich, 1975 SCHWINGENDE RASTER
"heutzutage eine abstrakte geometrische kunst zu betreiben, bedeutet nicht, werke der avantgarde, sondern der klarheit zu schaffen’ der brasilianer almir mavignier betreibt eine solche abstrakt-geometrische kunst seit 1951, als er nach europa kam. er betreibt sie auch, um klarheit zu vermitteln, weniger im konstruktiven als vielmehr im kommunikativen sinn. der betrachter seiner bilder, objekte und grafiken soll klarheit über die wirkung der verschiedenen erscheinungsweisen der farbe, ihrer struktur und ihrer bewegung erhalten.
als träger seiner absicht benutzt er unregelmäßige und regelmäßige strukturen und orthogonale raster. in seiner malerei konstituiert sich der raster realiter aus dreidimensionalen farbkegeln, in der grafik aus zweidimensionalen kreisflächen. zwischen malerei und grafik besteht demnach ein wesentlicher, qualitativer unterschied. dieser erlaubt es mavignier, eine bildidee in der grafik zu wiederholen; die grafik mit ihren vielfachen reproduktionsmöglichkeiten dient ihm gleichermaßen als dokumentations- wie als informations-mittel für seine eigenen ideen. mittels farbkegel und kreisraster gliedert, strukturiert und rhythmisiert mavignier die hintergrundfläche. (...) brigitte zehmisch, katalog ausstellung "serielle farbprogressionen", kunstgewerbemuseum zürich, 1975 |
Hamburg 1965 – 2018 |
voce começa acabar como artista ..." |
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